Flucht und Karaoke in Chernvitsi



 

Gestern Mittag sind wir weiter nach Chernivtsi gefahren, einer Universitätsstadt östlich der Karpaten nahe der rumänischen Grenze. Wir parkten das Schnauferle in einer Seitenstraße im Zentrum und streunten ein wenig durch die Stadt. Leider verließ uns unser Wetterglück etwas, denn es regnete den ganzen Tag.

Chernivtsi ist eine schöne Stadt, es gibt viele hübsch anzusehende und bunt angemalte Häuser. Das Prunkstück der Stadt ist das Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Universitätsgebäude, das aus rotgelben Klinkersteinen besteht und dessen Dächer mit bunten Mosaikmustern verziert sind.

Abends tranken wir ein paar Bierchen im Pub 34, einer hier recht angesagten Kellerbar. Dort wurde Karaoke gesungen und nach ein paar Gläsern Gerstensaft trauten Johannes und ich uns eine Billie-Jean Performance zu. Hat Spaß gemacht, aber so richtig groß raus kamen wir damit nicht. Auf jeden Fall blieb der tosende Applaus, mit dem ich eigentlich gerechnet hatte, leider aus.

Wir lernten einen Trupp ukrainische Jungs kennen, die ein wenig Englisch konnten und setzten uns zu ihnen. Einer von ihnen war recht kräftig gebaut und angeblich irgendein Kampfsport Champion. Er machte sich einen Spaß daraus, Johannes Mütze immer mal wieder zu klauen und selbst aufzusetzen.

Als wir irgendwann gehen wollten, war er auf einmal der Meinung, die Mütze nicht mehr her geben zu müssen. Johannes erklärte, dass es ein Andenken an seine Neuseelandreise sei und holte sich die Mütze zurück. Der Typ schien es aber echt ernst zu meinen, stellte sich Johannes in den Weg und fragte, ob er sich mit ihm schlagen wolle. War alles noch so halb spaßig, aber man wusste nicht so recht, was als nächstes kommen würde. Auf jeden Fall war Johannes seine Mütze schon wieder los und der Typ setzte sich damit zurück an den Tisch.

Wir beschlossen, nicht kampflos aufzugeben. Johannes schlich sich von hinten heran, zog ihm die Mütze vom Kopf, dann rannten wir auf die Straße. Wir sahen, dass ein paar Jungs hinter uns her kamen, aber wir hatten einen ganz guten Vorsprung. Wir bogen unauffällig in einen Hinterhof ab, versteckten uns dort ein paar Minuten, dann war die Luft rein und wir trauten uns wieder raus.

Inzwischen waren wir ganz gut in Partystimmung und beschlossen, uns den einzigen am Dienstag geöffneten Club „Egoist“ mal näher anzuschauen. War ein ziemlich schicker Laden, in den man uns zunächst nicht reinlassen wollte. Ob es an unserer Bierseligkeit oder an Johannes Wanderschuhen lag, war nicht so richtig klar, aber nach ein wenig Überredungskunst waren wir schließlich drin.

Wir lernten wieder ein paar Ukrainer kennen, aber irgendwie müssen wir bisschen ins Saufen gekommen sein, denn bald war nicht mehr wirklich viel mit uns anzufangen. Karaoke gab es auch wieder, wir versuchten es nochmal mit Billie-Jean, aber ich musste Johannes das Mikro zwischendurch wegnehmen, weil seine Interpretation nicht mehr allzu viel mit dem eigentlichen Song zu tun hatte. Gegen 4 Uhr traten wir schließlich im strömenden Regen den Rückzug zum Schnauferle an.

Heute ging nicht viel bei uns, gegen Nachmittag schafften wir es erst, uns in die Senkrechte zu begeben. Wir suchten uns ein Schwimmbad, um mit ein paar Schwimmzügen und einer Dusche wieder auf den Damm zu kommen. Hat auch geklappt, aber lustig war, dass man eine Badekappe zum Schwimmen tragen musste, sowas hatte ich seit DDR-Zeiten nicht mehr gesehen.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit setzten wir das Schnauferle wieder in Bewegung, denn wir wollten uns ein ruhigeres Plätzchen zum Schlafen suchen. Nachdem wir Chernivtsi verlassen hatten, fuhren wir ein Stück auf der Autobahn. Innerhalb weniger Minuten sahen wir drei Dinge, die man auf einer Autobahn nie erwarten würde: Einen Fußgängerüberweg, eine Pferdekutsche und einen Traktor, dessen linkes Vorderrad so eierte, als ob es gleich abfallen würde. Als wir schließlich haarscharf an einem grubentiefen Schlagloch vorbei schrammten, beschlossen wir, erst bei Tageslicht weiter zu fahren.

Nun stehen wir mit dem Schnauferle an einem verlassenen Feldweg hinter einem Bahnübergang und kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Ein wenig mulmig ist mir hier schon, aber ich hoffe einfach mal, dass das gute, alte Schnauferle nicht wie ein überfallwürdiges Fahrzeug aussieht.

Schlimme Nachrichten aus der Ostukraine



 

Gestern sind wir durch die Ostkarpaten in Richtung Chernivtsi gefahren. Die Straßen aus den Karpaten heraus war nach wie vor katastrophal, aber nach der Anfahrt zum Hoverla am Tag davor konnte uns nichts mehr schocken. Ich gab als Beifahrer Navigationsanweisungen, so gut es ging und Johannes manövrierte uns langsam, aber sicher, durch den Hindernisparcour. Irgendwann hatte das Drama dann tatsächlich ein Ende und wir fuhren wieder auf einer Straße, die diesen Namen verdiente.

Kurz vor Chernivtsi lachte uns ein schöner See an und wir beschlossen, hier zu übernachten. Man gab uns zu verstehen, dass Camping hier nicht erwünscht ist und wir im Hotel schlafen sollten. Als wir hörten, dass wir dort ein Doppelzimmer mit Bad und Balkon für 200 Giwny (12,50 Euro) bekamen, überlegten wir nicht lange. Nach einer guten Woche im Schnauferle ist es das pure Glück, mal wieder eine Nacht in einem Zimmer mit richtigem Bett, Dusche und Toilette zu verbringen. Innerhalb einer Stunde verwandelten wir uns von verfilzten Campern zu rasierten, frisch duftenden Wesen.

In den Tagen ohne Internet hatten wir in den Karpaten vom Abschuss des Passagierflugzeuges in der Ostukraine absolut nichts mitbekommen. Ist wirklich ein schlimmes Ding, vor 2 Jahren bin ich mit Stephanie zusammen mit der gleichen Airline auf der gleichen Route nach Kuala Lumpur geflogen. Man bekommt hier in der Westukraine vom Konflikt im Osten direkt nicht allzu viel mit. Aber es ist zum Beispiel auffällig, dass viele Autos mit blaugelben Ukraine-Flaggen bestückt sind. Hier am See habe ich auch eine gesehen, die zur Hälfte aus blaugelb zur Hälfte aus einer EU-Flagge bestand.

Bergbesteigung und Forellen



 

Gestern Morgen machten wir uns auf den Weg nach Vorokhta, dem Ort, an dem aus die kürzeste Route zur Besteigung des 2062 Meter hohen Hoverla beginnt. Auch wenn wir es bis dahin nicht für möglich gehalten hatten, aber die Straßenverhältnisse auf dem Weg dorthin wurden tatsächlich noch katastrophaler, als sie es bisher schon waren.

Irgendwann konnte man das, auf dem wir uns fortbewegten, weder mit dem Wort „Straße“, noch mit „Schotterpiste“ oder „Feldweg“ beschreiben. Der Asphalt war Steinen und Felsbrocken gewichen, die bedrohlich hoch Richtung Unterboden ragten. Zwischenzeitlich wollte Johannes nicht mehr weiter fahren, weil er Angst um das Leben des Schnauferle hatte. Aber am Ende überlebten wir und das Fahrzeug den Höllenritt und fanden uns auf gut 1250 Höhenmetern am Fuß Hoverla wieder.

Die 800 Höhenmeter auf den Gipfel schrubbten wir in rekordverdächtigen einunddreiviertel Stunden. Erst führte uns der Weg durch märchenhaft anmutendes Wurzelwerk, später dann durch grüne Büsche und Gräser. Ich finde das Gefühl immer super, auf dem höchsten Berg einer Region zu stehen und zu sehen, dass alle anderen Gipfel unter einem liegen. So wie damals auf dem Gipfel des 6088 Meter hohen Huayna Potosi in Bolivien, wenn auch in einer etwas anderen Dimension.

Nach dem Abstieg parkten wir das Schnauferle auf einem kleinen Campingplatz, auf dem wir allerdings die einzigen Gäste waren. Nur ein kleiner Imbiss-Wagen war noch geöffnet, dessen Besitzer Viktor uns freudig begrüßte. Er konnte ein wenig englisch und erzählte uns von seiner Forellenzucht. Nachdem unser Angelglück in Uschhorod ja recht bescheiden ausfiel, gefiel uns die Aussicht ganz gut, es hier unter erleichterten Bedingungen nochmal zu versuchen.

Viktor war einverstanden und wir warfen die Angel in seinen prall gefüllten Forellenteich. Nach ein paar Minuten hatten wir schon zwei Fische gefangen, bezahlten 90 Griwny (5,50 Euro) dafür und machten uns daran, sie auszunehmen. Viktor konnte unsere laienhaften Versuche aber offenbar nicht mit ansehen, denn er holte sein Messer, bat uns, ihm zum Fluss zu folgen und zeigte uns, wie man es richtig machte.

Er füllte die Forellen anschließend mit Zwiebeln, würzte sie mit Salz, Pfeffer und Paprika und wickelte sie in Alufolie. Dann entfachte er ein Holzfeuer, legte die Fische in die Glut und nach 15 Minuten aßen wir das leckerste Fischgericht unseres Lebens.

Wir verbrachten den Abend mit Bierchen, Viktor und Plaudern. Er war ganz begeistert vom Schnauferle, denn er ist auch ein wenig in der Welt rumgekommen und das Auto ließ ihn wohl wieder vom Reisen träumen.

Nun ist unsere Zeit in den Bergen wohl vorbei, den wir brechen heute Richtung Chernivtsi auf und werden die ukrainischen Karpaten hinter uns lassen.

Bauernleben in Kvasi



 

Vorgestern sind wir morgens von Uschhorod aus in die Karpaten weitergefahren. Ich hatte uns eine kleine Straße rausgesucht, die durch sehr ländliches Gebiet führte, das wirklich richtig schön war. Weniger schön war allerdings der Zustand der Straße. In der Ukraine muss man auf allen Straßen mit kratergroßen Schlaglöchern rechnen, von denen jedes einzelne dafür geeignet scheint, einen sofortigen Achsenbruch zu verursachen. Je tiefer wir in die Karpaten vordrangen, um so höher wurde auch die Schlaglochdichte, Johannes aber manövrierte das Schnauferle souverän durch die Kraterlandschaft hindurch.

Wir passierten kleine, wunderschöne Bergdörfer, am Straßenrand verkauften die Bewohner Gemüse, selbstgesammelte Pilze und Blaubeeren. Wir ärgerten uns, dass wir den Kühlschrank morgens noch aus dem Supermarkt befüllt hatten und beschlossen, in Zukunft nur noch bei den örtlichen Bauern einzukaufen. Die ukrainischen Karpaten sind eine arme Region und ich glaube, es ist ziemlich wichtig, dass Geld von außerhalb dorthin gelangt.

Wir hatten kein wirkliches Ziel, sondern wussten nur grob, dass wir in Richtung des 2062 Meter hohen Hoverla wollten, den höchsten Berg der Ukraine. Gegen Abend sah ich am Straßenrand einen Wegweiser, auf dem „кемпінг“ stand. Ich reaktivierte meine Russisch-Kenntnisse aus der Schule erkannte, dass „Camping“ gemeint war. Wir folgten dem Weg und landeten auf einem Bauernhof, dessen Besitzer eine Wiese an Camper vermietete. Wir waren offenbar die einzigen Gäste und beschlossen, das Schnauferle dort abzustellen.

Kaum waren wir angekommen, sprangen die drei Bauernsöhne Ivan, Vali und Roman ganz aufgeregt um uns herum. Sie waren 7, 6 und 3 Jahre alt und wie aus dem Häuschen, uns zu treffen. Sie führten uns alle Späßchen und Tricks vor, die sie jemals gelernt hatten und hatten uns sofort in ihre Herzen geschlossen und wir sie auch bald in unsere.

Wir bauten unseren Grill auf und ließen den Tag mit einem Feierabendbierechen und Grillfleisch ausklingen. Johannes spielte noch ein paar Lieder auf seiner Gitarre, dann schliefen wir zwischen Truthähnen, Schafen, einem Schwein und einem Kalb ein.

Am nächsten Tag wachte ich ein Stündchen vor Johannes auf und machte einen kleinen Morgenspaziergang. Als Ivan und Vali mich den Hang hinauf klettern sahen, rannten sie mir sofort hinterher und zeigten mir freudig die Gegend. Meine reaktivierten Russisch-Kenntnisse reichten leider nur für einzelne Brocken, aber mit Händen und Füßen konnten wir uns schon irgendwie verständigen.

Nach einem Frühstück mit Johannes starteten wir zu zweit zu einer Wanderung. Unser Weg führte uns durch ein Tal in den Wald hinein und schließlich zu einer Lichtung auf einem Berg. Wir schienen die einzigen Menschen weit und breit zu sein, auf jeden Fall begegnete uns nach einer Weile wirklich niemand mehr.

Ukraine-Start in Uschhorod



 

Wir sind nun seit zwei Tagen in Uschhorod, ist auf jeden Fall ein ziemlich entspanntes Örtchen. Wir haben das Schnauferle nochmal umgeparkt und uns in eine Seitenstraße direkt neben dem Fluss gestellt. Johannes ist direkt mal reingesprungen, ich habe dem Wasser nicht so recht über den Weg getraut.

Vorgestern zogen wir abends ein wenig durch die Stadt, auf der Suche nach einem Plätzchen für unser wohlverdientes Feierabendbier. Wir landeten auf einer Terasse am Fluss, wo wir von deftigen EDM Beats beschallt wurden. Das große Bier kostete 13 Griwna, umgerechnet 80 Cent.

Ich quatschte zwei ukrainische Studentinnen am Nachbartisch an, von denen eine ganz gut englisch konnte. Wir fragten sie nach der aktuellen Lage in der Ostukraine, sie meinte, dass dort inzwischen wirklich Bürgerkrieg herrschte, ein Kommilitone von ihr sei dort vor drei Tagen ums Leben gekommen. Wir hätten uns gerne noch ein wenig weiter unterhalten, aber die beiden waren leider schon auf dem Sprung nach Hause.

Gestern Morgen wurden wir von einem lauten Donnergrummeln geweckt, dass den ganzen Tag über andauerte. Wir wunderten uns, was das war, es klang auf jeden Fall nicht wie Gewitter. Später erfuhren wir, dass die ukrainische Armee kurz hinter der Stadt ein Panzermanöver veranstaltet und dies die Panzerschüsse waren. Hier in der Westukraine bekommt man ansonsten im Moment nicht viel vom Konflikt im Osten ab, aber die Stimmung sei auf jeden Fall angespannt, sagte man uns.

Ich streunte gestern noch ein wenig durch die ganz hübsche Altstadt und fand auf jeden Fall Gefallen an Uschhorod. Ich kam irgendwann auf einem Hügel an einer Burg an, dann lief ich zurück zum Schnauferle, wo Johannes inzwischen unsere Angelausrüstung startklar gemacht hatte. Wir versuchten unser Glück im Fluss, hatten aber keinen Erfolg. Es schien auch nicht der beste Angeltag zu sein, denn die einheimischen Angler fingen auch kaum etwas.

Grenzüberquerung in die Ukraine



 

Heute Morgen wollten wir Richtung Ukraine starten, aber es gab erstmal einen kleinen Schocker: Unser Kühlschrank hatte über Nacht die komplette Autobatterie leer gezogen und das Schnauferle gab keinen Mucks mehr von sich, als Johannes es starten wollte. Glücklicherweise konnte uns ein netter Slowake Starthilfe geben und wir konnten das Schnauferle wieder in Bewegung setzen.

Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten wir die ukranische Grenze. Ich war auf eine ziemliche Tortur vorbereitet, die EU Außengrenze zu passieren, aber am Ende war alles halb so wild. Der slowakische Grenzbeamte öffnete die Hecktür des Schnauferle, warf einen Blick hinein und meinte nur: „Hm, ein Abenteuer.“ Nachdem Johannes ihm erzählte, dass wir durch die Ukraine über Moldawien nach Rumänien und Bulgarien wollten, meinte er zunächst skeptisch, dann amüsiert schauend: „Na dann, viel Glück!“

Die ukrainischen Beamten kamen schon etwas grimmiger daher, aber ein genauerer Blick auf das Schnauferle konnte auch ihnen ein Schmunzeln in Gesicht zaubern. Vielleicht war es auch der Schnaps, der aus ihren Mündern zu riechen war, auf jeden Fall hatte ich den Eindruck, dass sie nicht so recht wussten, ob sie unser Gefährt belächeln oder verdächtig finden sollten.

Sie „durchsuchten“ den Wagen zu zweit, aber die Aktion beschränkte sich darauf, einmal kurz alle Schränke zu öffnen, kurz hinein zu schauen, drinnen irgendetwas lustiges zu finden und sich dann gegenseitig anzugrinsen. Man gratulierte uns noch zum WM-Sieg, dann durften wir weiter und waren nun tatsächlich in der Ukraine.

Wir suchten uns einen Parkplatz im ersten Ort hinter der Grenze namens Uschhorod und beschlossen, dort die nächste Nacht zu verbringen. Wir und das Schnauferle in der Ukraine, das fühlt sich richtig gut an. Kyrillische Schrift, eine ganz andere Kultur, es scheint, als wären wir endlich so richtig weit weg. Und die Frauen sind wirklich wunderschön, es ist kein Gerücht, es gibt sie wirklich, die unglaublich schönen Ukrainerinnen.

Von Schlossruinen zur Nacht am See



 

Heute Morgen war es an der Zeit, unser rollendes Zuhause wieder in Bewegung zu setzen und Richtung Ostslowakei aufzubrechen. Wir hatten beschlossen, unseren Weg Richtung Rumänien nicht über Ungarn fortzusetzen, sondern durch die Ukraine über Moldawien von Norden aus ans Schwarze Meer zu stoßen, da das viel mehr nach Abenteuer roch. Heute wollten wir so nah wie möglich an die ukrainische Grenze kommen, um morgen möglichst früh rüber setzen zu können. Ich hatte da so Geschichten von stundenlangen Grenzkontrollen gehört.

Östlich der Hohen Tatra veränderte sich die Landschaft ziemlich schnell, die schroffen Hochgebirgsformationen wichen nun einer hübschen, grünen Hügellandschaft. Wir legten einen Zwischenstopp an der Ruine des „Spissky Hrad“ Schlosses ein, es stammt aus dem 12. Jahrhundert und war eine der größten Festungen Europas. Wir kletterten ein Stündchen in den alten Gemäuern herum, dann setzten wir uns wieder ins Schnauferle, um weiter Richtung Osten zu fahren.

Unser Ziel war „Zemplinska Sirava“, ein großer Stausee im Osten der Slowakei, 40 Kilometer vor der ukrainischen Grenze. Die Straße führte uns durch kleine Dörfer, an deren Straßenrand jung und alt in der Sonne saß, miteinander quatschte und man anscheinend recht gechillt unterwegs war. Doch wo auch immer wir vorbei kamen, das Schnauferle zog immer die Blicke auf sich. Wir erreichten den See gerade noch im letzten Dämmerlicht und fanden am Ufer ein ruhiges Örtchen, an dem ein paar vereinzelte Zelte standen.

Wir wussten nicht so recht, ob das nun ein offizieller Campingplatz war oder nicht, aber versuchten, den Eindruck zu erwecken, als hätte es schon seine Richtigkeit, dass wir dort campierten. Das schien auch keinen zu stören, also kochten wir uns im Schnauferle ein Abendessen und ließen den Tag mit einem Bierchen ausklingen.

Weltmeister!



 

Mann, Mann, Mann, wir sind Weltmeister! Wahnsinn, krass, geil, damit hätte ich vor der WM absolut nicht gerechnet. Wir schauten das Spiel in einem Restaurant hier im Ort. Mit von der Partie waren Achim und Frank, die wir gestern hier kennen gelernt hatten.

Achim und Frank waren Ende 30, richtige Trekker und wir waren der Meinung, dass die beiden nicht so richtig wussten, ob sie uns als Spinner oder ernstzunehmende Tatra-Trekker einordnen sollten. So machten wir uns vor dem Spiel einen Spaß daraus, die beiden noch etwas mehr zu verwirren, wofür nicht viel mehr nötig war, als ein paar Reisegeschichten auszupacken.

Kurz vor dem Anpfiff versammelten wir uns zu viert vor dem Fernseher und Achim entglitten die Gesichtszüge, als er die Startaufstellung sah. Kramer im Sturm, das konnte er nicht fassen. Achim war für 5 Minuten nicht mehr ansprechbar und völlig aufgelöst. Dann war endlich Anstoß. Mit fortschreitendem Spielverlauf ohne Tor wurde Achim immer angespannter und ich hatte Sorge, dass Johannes gleich psychologische Hilfe leisten müsste, falls das Spiel verloren ginge.

Ging es aber nicht und nun sind wir tatsächlich Weltmeister! Wir feierten mit Achim, Frank und unzähligen Schnäpsen, heute Mittag wachte ich schließlich im Schnauferle auf, ohne wirklich zu wissen, wie ich dorthin gekommen bin. Heute ging dann auch nicht sehr viel bei uns, wir gönnten und einen entspannten Tag im Wellness-Bereich eines Hotels. Sauna, Pool und Dusche, die so langsam auch dringend nötig war, herrlich, fühlt sich an wie neu geboren! Zwischendurch schlichen wir uns geschickt ans Hotel-Buffet und konnten uns so kostenlos den Magen vollschlagen. Könnte man eigentlich öfter mal probieren. :)

Zu Hause an der Leitplanke



 

Gestern Abend kamen wir in Strbske Pleso an, einem kleinen Ort in der Hohen Tatra, der am gleichnamigen See liegt. Eigentlich besteht der Ort nur aus Hotels, denn Strbske Pleso ist ein beliebter Startpunkt für Trekking-Touren in die Berge. Das hatten wir auch vor, aber zunächst brauchten wir einen Standort für unser fahrendes Zuhause. Kostenlos sollte er sein und nicht zu abgelegen. Johannes entdeckte einen passenden Seitenstreifen neben einer Leitplanke, perfekt! Schnauferle abgestellt, Eier in die Pfanne geworfen, Campingtisch und -stühle hinter auf dem Grünstreifen aufgebaut, Abendessen.

Wir sind mit dem Schnauferle eine ziemliche Attraktion in der Slowakei, denn jeden Tag fotografieren wildfremde Leute uns und das Auto. So auch gestern, kaum hatten wir es uns auf dem Grünstreifen bequem gemacht, hielt vorbeifahrendes Auto an, aus dem ein Rentner mit einem riesigen Objektiv stieg und Fotos von uns machte. Wenn das so weiter geht, sind wir bald in der Zeitung hier.

Heute Morgen brachen wir zu einer Trekking-Tour in die Berge auf. Strbske Pleso liegt auf 1300 Meter Höhe, unsere Tour führte uns über einen 2000 Meter hohen Berg durch wunderschöne Landschaften. Wir starteten im Wald, erreichten bald die Baumgrenze und waren plötzlich von karstiger Felslandschaft umgeben. Das hatte ich auf jeden Fall gebraucht, raus aus der Stadt und ordentlich Naturluft schnuppern. So langsam komme ich runter von dem Stress der letzten Wochen Reisevorbereitung. Ich bekomme eine Ahnung von dem Flow, in dem ich mich hoffentlich bald befinden werde und es fühlt sich richtig gut an.

Gleich ist aber erstmal WM-Finale. Und wir vielleicht gleich Weltmeister. Wahnsinn.

Auf der Flucht



 

Slowakische Party gab’s gestern nicht wirklich. Die Hostel-Crew schleppte uns wieder mit, diesmal zu einer Kneipe in einer mit Bars gesäumten Straße in der Altstadt. Es war warm draußen, deshalb stellten sich alle mit ihrem Bier davor. Aber wieder in diesem Pulk aus 20 Hostel-Leuten zu hängen, für die die Stadt nur Kulisse für ihr Besäufnis war, fanden Johannes und ich nicht so prall.

Wir hatten nachmittags eine Japanerin namens Cary kennen gelernt, die im Hostel arbeitete. Sie war auch ein wenig genervt von der Runde, also flüchteten wir zu dritt in die nächste Kneipe, tranken Bierchen und quatschten die halbe Nacht. War echt interessant, mit ihr zu reden und ein wenig über die japanische Kultur zu erfahren. Statt Individualismus wird dort Kollektivismus als höchster Wert angesehen und im Umgang miteinander ist es extrem wichtig, darauf zu achten, dass sich der andere durch nichts gestört fühlt. So sehr ich verstehen kann, dass eine Gesellschaft diese Art des Zusammenlebens als ein hohes Gut sieht, finde ich es doch ziemlich schräg, dass eine eigene, individuelle Meinung als Affront gesehen und nicht akzeptiert wird.

Cary stammte aus Fukushima und ihre Familie lebt noch dort. Es war superinteressant, mal mit jemandem zu sprechen, der direkt von der Atomkatastrophe betroffen ist. Sie erzählte, wie die Menschen dort versuchen, zu einer Art Normalität zurück zu finden und viele nicht bereit sind, von dort weg zu ziehen. Es gibt sogar Freiwillige, die ihren Garten zu Verfügung stellen, um kontaminierte Erde zu lagern, denn die oberste Erdschicht wird um den Unglücksort herum mehrere Meter tief abgetragen und irgendwo muss das Zeug dann hin.

Später wollten wir uns noch eine slowakische Party suchen, aber alles, was wir in der Altstadt fanden, war komplett mit Touris verseucht. Darauf hatten wir alle keinen Bock, also zogen wir irgendwann ins Hostel zurück.

Heute Morgen packten wir unsere Sachen, um uns mit dem Schnauferle auf den Weg in die Hohe Tatra zu machen. Johannes hatte das Gefährt auf einem Parkplatz in der Altstadt geparkt und war der Meinung, das Ticket würde 1,50 Euro am Tag kosten. Leider hatte er übersehen, dass der Preis nicht für den ganzen Tag, sonder pro angefangene 30 Minuten galt. So klappte mir fast die Kinnlade runter, als ich am Automaten bezahlen wollte und dieser 52,50 Euro anzeigte. Die Ausfahrt war mit einer Schranke geschlossen, die sich keinen Millimeter bewegte, so lange wir nicht löhnten.

Der Parkplatz war mit Betonpollern umgeben, so dass eine alternative Ausfahrt nicht in Frage zu kommen schien. Doch glücklicherweise entdeckte Johannes eine Lücke, die gerade groß genug für das Schnauferle war. Wir schienen unbeobachtet zu sein, also sprangen wir ins Auto, gaben Gas und flüchteten unerkannt.