Kater und Chillout



 

Gestern war noch ein ziemlich schräger Abend. Die bisherige Reise war mit Stephanie echt superharmonisch, doch gestern haben wir uns auf einmal ziemlich angezickt. Alles nur wegen irgendwelchen Kleinigkeiten, z.B. ob wir Sonnenuntergang gucken gehen oder uns lieber auf dem Basar umschauen sollten. Schließlich landeten wir mit ein paar Dosen Efes am Wasser und spielten Backgammon auf meinem Handy. Doch auch das trug nicht gerade zum Frieden bei, denn inzwischen sind wir beide so ehrgeizig geworden, dass keiner von uns mehr verlieren kann.

Zu allem Überfluss kam zwischendurch noch ein bettelndes Kind vorbei, dem man wohl eingetrichtert hatte, einem so lange am Rockzipfel hängen zu bleiben, bis man ihm schließlich Geld gab. Die Kleine war ungefähr 10 und konnte einem echt Leid tun. Aber geben wollte ich ihr einfach nichts, sie hätte es garantiert an irgendeinen Aufseher abgeben müssen. Zuerst schlug sie einen mitleidserregenden Ton an. Ein „nein“ führte aber nur dazu, dass sie zunehmend dreister wurde, was darin gipfelte, dass sie uns „Money, Money, Money!“ ins Gesicht brüllte. Stephanie brüllte zurück, so laut sie konnte. Das Erschreckende war, dass das Mädchen daraufhin noch nicht einmal mit der Wimper zuckte. Wir ignorierten sie nun, sie schrie uns aber immer noch eine Ewigkeit nach Geld an, bis sie weiter zog.

Stephanie und steuerten später eine Shisha-Bar an. Einige Biere und Backgammon-Runden später beschlossen wir, uns einen Club zum Feiern zu suchen. Aber an ’nem Dienstagabend war das völlig unmöglich. In Izmir führt eine Uferpromenade namens Konak direkt am Wasser entlang. Dort gibt’s zwar einige Clubs, doch der einzige, der offen hatte, war gähnend leer und noch dazu viel zu Schickie-Mickie. Wir holten uns noch mehr Efes Dosen, liefen den Konak auf und ab, gaben uns dabei so richtig die Kante und fielen irgendwann ordentlich Hacke ins Bett.

Dementsprechend verkatert wachten wir heute Mittag auf. Wir waren nicht zu allzu viel Aktivität in der Lage, also setzten wir uns am Konak in eine Shisha-Bar, spielten Backgammon und rauchten Wasserpfeifen. Izmir hat’s mir nicht wirklich angetan, es ist laut, besteht zu 90% aus Beton und hat nicht mal einen Stand, obwohl es direkt am Meer liegt. Wir sollten zusehen, dass wir morgen hier weg kommen.

Aber heute gab’s natürlich auch wieder die „Unglaublich-freundlicher-Türke-des-Tages-Geschichte“: Mitten in Izmir steht eine winzige Moschee, die sicher nicht mehr als 10 Meter Durchmesser hat. Ständig kommen und gehen Gläubige, die scheinbar einfach mal kurz zwischendurch ’ne Runde beten wollen. Mich hat interessiert, wie es darin aussieht. Doch ich merkte, dass man direkt im Gebetsraum stehen würde, sobald man die Moschee betritt. Um die Gläubigen nicht zu stören, wollte ich nicht reingehen. Vergeblich versuchte ich meinen Kopf so weit durch die Tür zu recken, dass ich die Kuppel von innen sehen konnte. Plötzlich tippte jemand von hinten auf meine Schulter. Es war ein älterer Mann und ich dachte, jetzt kommt der Anschiss für’s Rumstressen. Aber gab mir zu verstehen, dass ich mit um die Ecke komme sollte und deutete auf ein Fenster. Da verstand ich plötzlich: Er hatte mich beobachtet, mein Problem erkannt und zeigte mir die Stelle, wo man durch’s Fenster einen perfekten Blick auf den Kuppel hatte. :)

Abends zogen wir noch eine Weile über den Basar von Izmir. Er ist zwar etwas kleiner, als der in Istanbul, aber immer noch riesig. Stephanie kaufte ein paar Stoffe, dabei hat sie sich wohl so richtig über den Tisch ziehen lassen. Das gehört aber auch irgendwie zum Touri-sein dazu. :)

Jetzt sitzen wir im Internetcafe und versuchen unsere weitere Reise zu planen. Wir haben mit dem Gedanken gespielt, mal einer griechischen Insel ’nen kleinen Besuch abzustatten. Aber so richtig lohnen würde sich das nicht mehr, die Fähren sind nicht ganz billig und wir hätten höchstens auf der Insel höchstens einen Tag Zeit.

Daca, das „Paradies“, das der Türke in Istanbul in wärmsten Worten angepriesen hatte, ist leider auch viel zu weit weg, um das noch zu schaffen. So langsam wird uns bewusst, dass unsere Reise bald zu Ende geht, in drei Tagen fliegen wir schon zurück. Irgendwie ein komisches Gefühl, denn während der letzten Woche hatte ich mein Zeitgefühl komplett abgeschaltet und nicht einen Gedanken daran verschwendet, wieder zurück zu müssen. Es ist wie ein Schalter, der auf Travalling-Modus gestellt wurde, alles vergessen und einfach los. Alles schien plötzlich wieder so einfach zu sein, keine Verpflichtungen, kein Gedanke an gestern oder morgen, einfach so in den Tag hineinleben. Ich könnte jetzt einfach weiter ziehen, quer durch die Türkei, weiter in den Iran, vielleicht mal kurz ’nen Einreisestempel für den Irak holen, nur so für den Nervenkitzel. :) Im Moment ist leider nicht die Zeit dafür, aber es ist ein super Gefühl zu spüren, dass ich den Schalter jederzeit umlegen kann.

Wir haben nun beschlossen, morgen weiter Richtung Süden zu fahren, aber nicht zu weit, denn dann wird’s echt eklig und es reiht sich eine Hotel-Bunker-Stadt an die nächste. Im Lonely Planet haben wir ein kleines Fischerörtchen namens Sigacik gefunden, wo es echt nett sein soll. Nicht zu touristisch, chillige Stimmung und ein Strand in der Nähe. Dorthin werden wir uns morgen versuchen durchzuschlagen.

Dösiger erster Weihnachtsfeiertag



 

Heute war nicht allzu viel mit uns anzufangen, mit mir noch weniger als mit Johannes. Der war zum Glück in der Lage, unser Fahrzeug zu steuern, also konnte ich mich gechillt auf den Beifahrersitz setzen und Bierchen schlürfen. Wir steuerten den Strand Playa de las Teresitas an, der 8 km von Santa Cruz entfernt liegt. Es ist einer der wenigen Strände mit weißem Sand auf Teneriffa, die Sonne schien, aber zum Planschen war’s uns doch etwas zu kalt. Ich chillte mich bisschen an den Strand, Johannes hielt ein Nickerchen im Auto.

Danach fuhren wir weiter bis ins letzte Dorf vorm Ende der Straße „Igüeste“. Das war auf einmal voll die andere Welt. Es gab kleine, an Hängen gebaute Häuschen, eine süße Kirche, kleine Gassen und alle Leute schienen fröhlich zu sein. Sie standen vor ihren Häusern, unterhielten sich, lachten und viele grüßten uns freundlich. Hierher verirrte sich scheinbar nur recht selten ein Tourist.

Das war dann aber auch schon genug Anstrengung für den Tag. Wir fuhren zurück nach Santa Cruz, der Abend zieht nun herauf und wir werden gleich erschöpft in unsere Betten fallen.

Trek zum Machu Picchu – Tag 2



 

Gestern Abend war’s dann doch ganz gemütlich. Hab mir ein Zelt mit Paul geteilt, mit sämtlichen Klamotten im Schlafsack wurde es auch langsam warm. Um diesem Prozess noch etwas nachzuhelfen, nahmen wir beide ein Schlückchen vom 43%igen Pisco, den wir uns für Notfälle eingepackt hatten.

Wir kamen ins Quatschen über die Trekking-Kollegen, Israelis, Girls im allgemeinen, Girls in unserer Truppe… und so nach und nach floss das ein oder andere weitere Schlückchen in unseren Rachen. Nach drei Stunden stellten wir fest, dass wir ordentlich angedüdelt waren und die Piscoflasche halb leer. Oh oh, wenn das mal kein böses Erwachen gibt, dachten wir uns. In der dünnen Höhenluft ist Alkohol angeblich doppelt so stark, das könnte interessant werden…

Heute Morgen bekam ich direkt die Rechnung dafür. Um 5 Uhr wurden wir geweckt, ich wachte unglaublich verkatert auf. Nachdem ich mich gestern wieder einigermaßen zusammengerappelt hatte, fühlte ich mich nun noch schlechter als zwei Tage zuvor. Ich schleppte mich zum Frühstückszelt und quälte mir ein halbes Brötchen rein. Danach gab es Pancakes, aber schon bei deren Anblick wurde mir schlecht. Hm, vielleicht half ein Tässchen Tee? Probieren kann man’s ja mal… oh, oh, keine gute Idee, davon wurde mir richtig übel.

Endloser AufstiegRastAm Fuß des SalcantayGeschafft, 4600-Meter-Pass

Jose Luis fragte, ob alle bereit zum Start seien. Ich machte drei Schritte und spürte wie sich mir der Magen umdrehte. Ich wankte von der Truppe weg und kotzte mir die Seele aus dem Leib. Scheiße, die Piscoflasche würde ich nicht mehr anrühren, schwor ich mir. Nach der Magenentleerung fühlte ich mich schon ’ne ganze Ecke besser. Ekelhafterweise kam direkt ein streundender Hund angelaufen und fraß genüsslich meinen Mageninhalt. Viel Spaß, in ’ner Stunde geht’s dir genauso wie mir, dachte ich so.

Der Gedanke an die vor mir liegende Aufgabe ließ mich erschaudern: Ausgerechnet heute ist der schwierigste Tag des ganze Treks, 30 km in 10 Stunden. Dabei ging es in den ersten 3 Stunden 700 Höhenmeter rauf zum Salkantay-Pass auf 4600 Metern Höhe.

Schritt für Schritt kämpfte ich mich vorwärts, Ibuprofen hielt mich am Leben, aber ich merkte deutlich, dass meine Kräfte nicht wirklich da waren. Mit Staunen sah ich einige von der Truppe hunderte Meter weiter oben flink aufwärts klettern. Der Aufstieg war unglaublich steil, ich wollte niemanden hören und sehen und stapfte alleine Schritt für Schritt nach oben. Schweiß rann aus allen Poren, die Sonne brannte ins Gesicht und das Atmen war nur noch ein lautes Schnaufen. Allerdings war ich nicht der Letzte unserer Truppe, Claire schien nach jedem Schritt fast aufgeben zu wollen und fiel weiter und weiter zurück.

Nach zwei Stunden, in denen ich bangte, ob ich es schaffen würde, war laut unserem Führer der schwierigste Teil geschafft. Wir erreichten ein kleines Zwischenplateau auf 4350 Metern Höhe und machten Rast. Ein wenig stutzig machte mich allerdings, dass noch weitere 250 Höhenmeter zu überwinden waren. Die Landschaft war gigantisch. Hinter uns lag das grüne Tal, vor uns ragte der 6264 Meter hohe Salkantay empor, an dessen Fuß wir den 4600-Meter-Pass erreichen sollten. Salkantay heißt in Quechua, der Inkasprache, „wilder Berg“.

Nun ging’s weiter in Richtung Pass. Nach einer weiteren Biegung konnte man die höchste Stelle sehen, die Landschaft wurde rauh und steinig und ein frischer Wind kam auf. Nun wurde die Luft auch merklich dünn. Obwohl der Weg nicht allzu weit schien, wurden meine Schritte immer langsamer und das Atmen fiel schwer. Ich ließ die anderen davon ziehen und kämpfte mich Schritt um Schritt vorwärts. Nach weiteren eineinhalb Stunden war der Aufstieg so gut wie geschafft, nur noch wenige hundert Meter lagen vor mir, auf denen ich allerdings alle paar Schritte pausieren musste. Schließlich erreichte ich das Ziel, völlig erschöpft, aber glücklich.

Wir warteten auf Claire, von der weit und breit nichts zu sehen war. Ich machte mir Sorgen, da ich mir kaum vorstellen konnte, dass sie den Gipfel erreichen würde. Nach einigen Minuten Pause merkte ich, dass es bitterkalt war, garantiert unter 0 Grad, denn um uns herum war hier und da ein Fleckchen Schnee zu sehen. Dazu fegte ein eisiger Wind um unsere Ohren. Nach ’ner halben Stunde meinte Jose Luis, dass er nach Claire suchen will, wir aber schon mit dem Abstieg in Richtung Mittagscamp beginnen sollten.

Das Wort Abstieg klang wie Musik in meinen Ohren. Es sollte den ganzen restlichen Tag nur noch bergab gehen, bis auf 2400 Höhenmeter zu unserem Zeltplatz. Ich musste aber feststellen, dass Downhill-Trekking über Stock und Stein auch ’ne recht anstrengende Angelegenheit ist. Erstens muss man höllisch aufpassen, sich nichts zu verknacksen oder gar zu brechen, denn das würde hier heißen: Tagelanger, holpriger, schmerzhafter Krankentransport auf Pferden. Außerdem geht der Spaß mit der Zeit echt auf die Knie und Oberschenkel. Kurz: So erholsam, wie ich mir das erträumt hatte, war der Abstieg bei weitem nicht.

Nach drei Stunden war unser Mittagszelt in der Ferne in Sicht, mittlerweile war es 14 Uhr. Ich konnte mich kaum mehr auf den Beinen halten. So würde ich den Tag nicht überstehen, dachte ich mir. Als wir den Rastplatz erreichten fiel ich erschöpft ins Gras und döste vor mich hin. Unglaublicherweise tauchte alsbald Jose Luis mit Claire auf. Sie hatte es tatsächlich geschafft über den Pass zu klettern, sah aber nicht viel fitter aus als ich.

Nach ’ner Weile gab’s Essen, aber mein Magen war noch nicht wieder auf’m Dampfer und ich brachte nur ein paar Bissen Reis runter. Ein Apfel war jedoch ok und gab mir bisschen Kraft. Danach ließ ich mich wieder ins Gras fallen und döste weiter, bis Jose Luis uns rief, weiter zu marschieren.

Als ich wieder auf den Beinen war, fühlte ich plötzlich ungeahnte Energie in mir aufsteigen. Wie neugeboren marschierte ich flink und wach den Berg hinab. Ich wurde plötzlich richtig gesprächig und quatschte wie ein Wasserfall. War es der Apfel oder das Dösen im Gras? Egal, es hat auf jeden Fall geholfen. War auch bitter nötig, denn vor uns lagen weitere drei Stunden Marsch.

Die Landschaft veränderte sich mit abnehmender Höhe merklich. Es wurde wärmer, zuerst tauchten Büsche auf, dann Bäume und schließlich dichter Wald. Es wurde eine richtige Dschungeltour, bunte Vögel machten lustige Geräusche und wir hielten verstärkt Ausschau nach Schlangen. Es war unglaublich, dass wir vor wenigen Stunden noch in Kälte und Schnee bibberten und uns nun im heißen Dschungel befanden. Doch der Weg war weit und wir sehnten uns nach unserem Zeltplatz.

Als nach drei Stunden die Dämmerung hereinbrach und wir immer noch nichts als Wald sahen, wurde es langsam etwas gruselig. In der Nacht über Stock und Stein zu steigen war reiner Selbstmord, uns blieb nicht mehr viel Zeit. Schließlich tauchten nach einer letzten Kurve die Zelte vor uns auf. Und wie durch ein Wunder gehörte ich zu den Ersten, die diesen Ort erreichten. Ich fühlte mich wieder recht fit, meine Angeschlagenheit war überstanden. Nach ’ner halben Stunde tauchten schließlich alle im Camp auf, sogar Claire hat es geschafft. Um 8 Uhr gab’s Abendbrot, Suppe, Reis und Fleisch. Ich konnte wieder recht normal essen, spürte aber die Erschöpfung durch meinen Körper kriechen.

Jetzt will ich nur noch in meinen Schlafsack kriechen und so ist heute aber jeder drauf. Es war ein unglaublich anstrengender Tag und alle sind froh, den überstanden zu haben.