Arbeitsrausch



 

Nachdem ich gestern nacht bis 5 Uhr morgens online gepokert hab, konnte ich mich erst um halb 1 aus dem Bett schälen. Schön gefrühstückt, Käffchen getrunken und bisschen draußen rumgelatscht. Zurück im Hostel ist inzwischen ein türkischer Traveller eingetroffen, wie alle anderen auch ein supernetter Typ. Jeder findet’s irgendwie lustig, dass ich nicht zum traveln, sondern zum arbeiten im Hostel bin. :)

Später hat sich ein Kunde gemeldet und wollte superdringend und unbedingt und sofort was programmiert haben. Also hab ich losgelegt und in die Tasten gehauen. Bald war ich so richtig drin, Programmierrausch von der feinsten Sorte. Zu dem türkischen Traveller war inzwischen ein ungarischer Freund gestoßen, die beiden hatten sich irgendwas auf’m Rechner reingefahren und dabei ordentlich Spaß gehabt. Gleichzeitig hab ich gecodet und auch Spaß gehabt, hat irgendwie super gepasst alles.

Jetzt ist es 3 Uhr nachts, alles ist fertig und ich hab’s zum Kunden gemailt. It works!

Suche nach dem Baum der Bäume



 

Heute wollte ich eigentlich nen vollen Arbeitstag einlegen. Aber dann hab ich aus dem Fenster geschaut und die Sonne lachte mich von ’nem strahlend blauen Himmel an. Da nicht raus zu gehen ist ja Verrat am eigenen Leben, dachte ich mir. Also startete ich ’nen Ausflug auf die Margareteninsel, die in der Donau liegt.

Meine Mutter war vor 35 Jahren mal in Budapest und hat mir erzählt, dass sie mit ihren Kumpels immer um einen Baum in der Mitte dieser Insel herumlag. Ich dachte, die Insel sei winzig und wollte mal schauen, ob der Baum noch steht, meiner Mutter vielleicht ein Foto davon mitbringen. Mir stach auch gleich einer ins Auge und ich fotografierte ihn. Nach ’ner Weile musste ich aber feststellen, dass die Margareteninsel kilometerlang war und tausende Bäume drauf standen. Ich fotografierte viele davon aber irgendwann verließ mich die Hoffnung, dass ich den richtigen erwischt hatte.

Auf der Insel gibt’s nicht viel zu sehen, außer ’nem Schwimmbad, das im Winter geschlossen hat. Trotzdem fand ich’s super, es war fast kein Mensch unterwegs und es hatte auf jeden Fall was, mitten in der Stadt auf ’ner Insel zu sein. Die Insel zieht sich über zwei Kilometer Richtung Norden, der Rückweg zum Hostel war mir zu Fuß dann doch etwas zu heftig und ich hab mal die Metro ausprobiert. Als ich meinen Fuß auf die Rolltreppe zur Metro setzte, hat’s mich fast von den Beinen gerissen. Die Metro ist tief und die Treppe ist lang, deswegen hat man wohl beschlossen, sie mit doppelter Geschwindigkeit laufen zu lassen.

Von den angeblich so hübschen Ungarinnen hab ich bis jetzt noch nicht viel gesehen. Alles in allem höchstens Durchschnitt, lautet mein spontanes Urteil. Vielleicht tut sich da noch was. Für Partying werd ich aber sowieso nicht viel Zeit haben und Freitag flieg ich ja auch schon zurück, also ist kein wirkliches Wochenende dabei.

Meine Nachmittags Programmier-Session hat auch wieder super hingehauen, Lewis und Brooke saßen mit im Gemeinschaftsraum rum und haben gelesen, ich dabei gearbeitet, war richtig schön relaxte Stimmung. Von meiner Dezemberdepression ist kein Hauch mehr zu spüren, es funktioniert!

Der Reiz des Unperfekten



 

Ich hatte heute morgen ’ne Telefonkonferenz mit ’nem Kunden. Hab meinen Laptop angeworfen und alles per Skype geregelt. Hat super funktioniert, ich fühl mich auf einmal richtig frei. Ich kann meinen Laptop unter den Arm klemmen und arbeiten, wo ich will, das hat auf jeden Fall was. Mal sehen, wie das mit der Motivation hier hinhaut. Irgendwie ist das ganze auch ein Testballon, wenn’s gut funktioniert, werd ich das öfters mal machen.

Die Hostelmitarbeiterin, die heute früh am Empfangsdesk saß, war auch supernett. Hat mir gleich Kaffee gekocht, mich permanent angegrinst und alles erklärt, was ich wissen wollte. Hab danach ’nen zweiten Anlauf Richtung Andrassy Straße gestartet. Bei Tageslicht und ein paar Grad mehr als gestern hatte ich diesmal auch Spaß dabei. Budapest gefällt mir optisch super, ich liebe die Architektur hier. Erinnert mich ziemlich an Wien, nur nicht so glatt geleckt und aufpoliert. Ich mag sowas aber ganz gerne, strahlt irgendwie viel mehr Wärme aus, der Reiz des Unperfekten einfach. Die Seitenstraßen sind noch ursprünglicher, teilweise auch wirklich dreckig, aber im Kontrast zu den renovierten borocken Gebäuden kommt auch das ganz gut. Hab auf jeden Fall was ganz anderes erwartet, an Wiener Barockbauten hätte ich nicht im Traum gedacht.

Hab dann ’ne ziemliche Fußtour über drei Stunden gedreht und bin schließlich im sogenannten Stadtwäldchen angekommen. Das Stadtwäldchen ist eher ein Park mit ein paar Bäumen, aber dazwischen befindet sich ein altes, kleines Schloss. Auch etwas verfallen, aber deshalb so richtig heimelig, fast schon verwunschen, ich war voll begeistert von dieser Atmosphäre.
Im Stadtwäldchen befindet sich auch eine heiße Therme, die zu einer recht großen Badeanlage ausgebaut ist. Die Budapester lieben das Baden in einer der vielen Stadtthermen, ich hatte aber kein Badezeug dabei, also konnte ich’s leider nicht ausprobieren.

Am Nachmittag hab ich mich dann mit meinem Laptop in den Hostel-Gemeinschaftsraum gesetzt und angefangen zu programmieren. Hat echt funktioniert. Ich war fünf Stunden lang richtig gut dabei. Abends hab ich ein nettes australisches Päärchen kennen gelernt, Lewis und Brooke. Das hat was, einfach dasitzen, arbeiten und nebenbei Traveller kennen lernen. Plötzlich fühl ich mich wieder richtig on the Road, obwohl ich eigentlich nur mein Büro von meinem Dachboden ins Hostel verlagert hab.

Landung in Budapest



 

Heute mittag ging’s los. Leicht verkatert aus dem Bett geschält, Laptop und paar Klamotten in den Rucksack gestopft, meine restlichen 200 Dollar Traveller’s Cheques aus Südamerika auch gleich dazu und ab nach Schönefeld. Ich war spät dran, also fix durch die Sicherheitskontrolle. Laptop aus’m Rucksack geholt, scannen lassen, hoch zum Gate.

Nu aber fix, nur noch 10 Minuten Boarding Time. Laptop wieder in den Rucksack stopfen… Moment, waren da nicht irgendwo die Traveller’s Cheques drin? Jaja Felix, in deinem verkaterten Kopf ziehen sich jetzt Paranoia zusammen… aber wenn sie noch da sind, müssten sie sich ja finden lassen. Also Rucksack ausgeleert, alles durchforstet, nichts zu finden. Noch 8 Minuten, bis das Gate schließt. Sind die bei der Sicherheitskontrolle rausgefallen? Ja, warum nicht, kann doch sein! Zurückgerannt, den Sicherheitstypen vollgelabert, er hat nichts gefunden. Die Frau am Metallscanner vielleicht? „Halt, hier dürfen Sie nicht mehr durch! Jaja, ok ich schaue mal.“ Mensch, Felix, was für’n Quatsch, die werden zwischen irgendwelchen Papieren im Rucksack stecken. „Sind sie das hier?“ Unglaublich, sie hatte tatsächlich den Umschlag mit den Cheques unter dem Scannerband hervorgezogen.

Glücklich riss ich ihr die Packung aus der Hand und rannte hoch zum Gate. Natürlich hatten sie es dort letzendlich doch nicht so eilig, wie sie vorgaben und ich saß noch ’ne Weile rum. Dann ging’s endlich in den Flieger und ab nach Budapest.
Anderthalb Stunden später fand ich mich dort auf dem Flughafen wieder. Nach bisschen Rumfragen saß ich bald im Zug Richtung City. Ich schaute aus dem Fenster und sah nichts als schwarze Nacht. Meine Dezemberdepressionen lagen wieder schwer auf mir. Ob das wirklich ’ne gute Idee war, hierher zu kommen, ins kalte, graue, winterliche Budapest?
Am Bahnhof angekommen stieg ich aus und fand doch direkt Gefallen an dem etwas runtergekommenen, wilden Charme, den das Bahnhofsgebäude ausstrahlte. Neuer Input für den Kopf, so schlecht konnte das nicht sein.

Nach 20 Minuten Fußweg kam ich auf der Straße an, auf der mein Hostel sein sollte, der Central Backpack King. Doch weit und breit nur dunkle Fenster. Gab’s das vielleicht gar nicht mehr? Schließlich entdeckte ich an der Tür ein winziges Schild mit dem Hostelnamen. Kurz geklingelt, eine Treppe hoch, da begrüßte mich schon breit grinsend ein junger, freundlicher Typ. „Welcome in Budapest“, strahlte er mich an. „Willst du einen Willkommensdrink, umgarischen Palinka? Aber Vorsicht, der ist stark!“ Klar wollte ich. Er zeigte mir mein Zimmer, nett, aber leider ohne richtigen Tisch und nur mit einem dunklen Loch als Fenster. Wieder kamen Zweifel in mir hoch, hier sollte ich eine Woche lang Spaß haben und auch noch arbeiten? Egal, erstmal raus auf die Straße und bisschen umschauen.

Das Hostel liegt wirklich mitten im Zentrum, direkt nebenan steht die berühmte Basilika. Die hab ich mir auch gleich mal angeguckt, ist wunderschön und hat gleich ’ne gute Portion Touri-Feeling aufkommen lassen. Drinnen stieg
gerade eine Messe, die hab ich mir kurz angeguckt und einigen ungarischen Worten gelauscht. Mir gefällt die Sprachmelodie total, irgendwie steckt da überall so ein Singsang drin.

Ich wollte noch weiter Richtung Andrassy Straße schauen, angeblich die ungarische Champs Elysee. Aber nach ein paar Schritten froren mir fast die Ohren ab, es ist einfach unglaublich kalt hier. Irgendwie reicht’s auch für heute, ich bin jetzt wieder im Hostel und wird mich gleich mal hinhauen, Sightseeing kann bis morgen warten.

Spontaner Abflug in Berlin



 

Mir reicht’s. Ich muss hier raus, mir fällt die Decke auf’n Kopp. Diese Woche hab ich echte Dezemberdepressionen gekommen, aber vor zwei Stunden kam mir die geniale Idee, meinen Laptop zu schnappen, mich in ’nen Flieger zu setzen und eine Woche lang in ’nem netten Hostel mit WLAN irgendwo in Europa zu arbeiten.

Also mal fix Swoodoo nach kurzfristigen Billigflügen durchforstet, dabei kamen Stockholm und Budapest als Optionen raus. In Stockholm würde ich ein Vermögen für Unterkunft und Essen und noch viel mehr für Bier loswerden, also ist die Entscheidung für Budapest schnell gefallen.

Jetzt ist das Ticket mit Easyjet gebucht, 145 Tacken kostet der Spaß für Hin- und Rückflug, übermorgen mittag geht’s los. Ich fühl mich schon direkt besser, diese Idee hat mir der Himmel geschickt!

Ein Tag geht, die Nacht kommt



 

Als Johannes und ich heute wieder zu uns kamen, sahen wir, was wir angerichtet hatten. Scheinbar hatten wir uns nachts im Zelt quer über unser Essen gewälzt, auf jeden Fall war das Brot nun nur noch ein verdichteter Krümelhaufen und das Obst ein stinkender Brei. Zum Glück war die Salami hart genug, dass diese Aktion ihr nichts anhaben konnte.

Wie sollten wir ohne Essen die nächsten zwei Tage überleben? Johannes, körperlich und geistig wieder erstaunlich fit, hatte die geniale Idee, die größeren Stücken der verklumpten Brotmasse zu retten. Mit etwas Belag waren sie in der Tat wieder eine recht essbare Malzeit, zusammen mit der Pommesbude auf dem Festival sollten wir so überleben können.

Wir hingen noch bisschen am Feuer rum, wo Jimmy die Meute von 10 Leuten vergeblich zu motivieren versuchte, neues Holz vor Einbruch der Dunkelheit zu suchen. „Leute, ihr könnt nicht den ganzen Tag kiffen und am Feuer sitzen, ihr müsst Holz finden, so lange es hell ist, sonst gibt’s gleich kein Feuer mehr!“ „Jaja“, war die gechillte Antwort, aber keiner rührte sich. Nach einer Stunde erbarmten sich endlich Jens und Boris und schleppten mit Jimmy zusammen ein paar Äste ran.

Dann brach die Nacht an, wir chillten noch bisschen und tranken Bierchen am Feuer, gleich geht’s wieder los auf die Piste!

Partystart mit Hindernissen



 

Gestern ging es endlich los ins Goa-Land. Drei Nächte würden wir dort bleiben, also deckten wir uns vorher mit Brot, Wurst und ’ner Buddel Wodka ein. Die Party stieg in Valle Hermoso am Meer, der Bus fuhr aber nur bis ins Inselinnere. Also stellten wir uns an die Straße und versuchten zu trampen. Allerdings kam nur alle 10 Minuten ein Auto vorbei, deshalb standen wir ’ne ganze Weile rum. Es war sowas von still, wie man es selten erlebt, perfekt um im Gandalf-Style aus vollem Halse zu brüllen: „DUUUUU… KOMMST NICHT… VORBEIIIIIII!!!“ Herrlich erfrischend.

Nach ’nem Stündchen hielt endlich ein Auto mit zwei Mädels mittleren Alters an, die auch zur Goa-Party wollten. Wir passten mit unseren Riesenrucksäcken und dem Zelt kaum rein, aber mit etwas Gequetsche ging’s dann doch.

Am Partyplace angekommen mussten wir uns erstmal die Augen reiben: Es waren erst 50 verstreute Gestalten zu sehen, die am Rand einer Wiese rumhingen. Als wir in ihre Richtung steuerten, wurden wir mit einem sarkastischen: „Willkommen in der Camping-Area!“ begrüßt. Schnell stellte sich heraus, dass nichts richtig lief und Organisator Dirk der größte Trottel auf Erden zu sein schien. Die Wiese durfte nicht betreten werden, weil Dirk sich wohl mit dem Vermieter nicht über die Kohle einig geworden war. Einige Leute hingen schon eine ganze Nacht ohne Zeltplatz rum und waren entsprechend sauer.

Wir setzten uns auf ’ne Mauer, machten unseren Wodka auf und ließen die Stimmung erstmal auf uns wirken. Die schien recht bald zu kippen, als mehr und mehr Partyvolk eintrudelte und von Dirk’s Mitarbeitern daran gehindert wurden, ihre Zelte aufzuschlagen. Ich zog mit ’ner Gruppe Frustrierter zum Eingangsbereich und langsam stellte sich heraus, dass jeder seiner Mitarbeiter Dirk für ’nen Psychopathen hielt. Seine eigenen Leute! Keiner von ihnen konnte die Lage beruhigen, alle wollten nur noch Dirk in die Finger kriegen. Man versprach, ihn zu holen, er tauchte aber einfach nicht auf. War wohl auch gesünder für ihn, wahrscheinlich hätte man ihn sonst am nächsten Baum aufgeknüpft. :)

Gerüchte machten die Runde, dass der Typ vor zwei Wochen angereist sei und arrogant wie eine Sau angefangen hätte, die Party zu organisieren, ohne ein Wort spanisch oder englisch zu sprechen. Inzwischen hatte er sich wohl mit den Besitzern des Geländes ordentlich verkracht. Zur Zeltproblematik soll er gesagt haben: „Das sind Goa-Leute, die suchen sich schon irgend ’nen Platz in der Tälern.“

Johannes und ich steurten bisschen durch’s Gelände, die Location war auf jeden Fall cool. Ein Teil der Partyarea war ein Open-Air Dancefloor um zwei große Pools. Der andere Teil war eine Festung am Meer im „Fluch der Karibik“ Style. Wir lernten einen DJ namens Mucri kennen, schnackten ’ne Runde und schlürften weiter Wodka, kurz darauf trafen wir Boris, Jens und Jimmy wieder

Um 8 Uhr machte die Party-Area endlich auf. Zelten sollten die Leute jetzt woanders, auf einem steinigen Boden nicht weit von der Tanzfläche. Zum Glück hatten wir Luftmtratzen gekauft, da war uns der Untergrund relativ egal. Inzwischen waren wir so besoffen, dass wir den Zeltaufbau komplett nicht mehr rafften. Unsere Rettung hieß Jens, der mit ein paar geübten Handgriffen das Ding zum stehen brachte. Gerade noch rechtzeitig, denn es wurde stockfinster… jetzt konnte es losgehn, Party hard!

Regentag



 

Pünktlich um 8 Uhr stand ich heute morgen vor der Ferreteria. Irgendwie hatte ich immer noch Schiss, dass das Zelt nicht mehr da wäre, ich stürmte direkt nach der Ladenöffnung zum Regal… und wer hätte es gedacht, Zelt und Schlafsäcke waren noch da! Also gekauft, eingepackt, zurück in die Ferienwohnung und nochmal geratzt.

Das Wetter war heute aber alles andere als berauschend, alles war grau und es stürmte und regnete in Strömen. Nun dann, ein Chillout-Tag ist auch mal nicht schlecht, nach dem zweiten Aufwachen baute ich auf unserem Nachtschränkchen alle Frühstücks-Utensilien auf, so dass wir das Bett nicht verlassen mussten.

Johannes las die Süddeutsche zum 10. Mal und ich die Debug. Dann ging ich ins Internetcafe um bisschen zu surfen und zu bloggen. Und YES, der Besitzer fragte mich, ob wir ein Zelt gefunden hätten. Sicher doch, sagte ich so lässig wie ich konnte. Er staunte nicht schlecht, die Laberbacke.

Ansonsten war mit dem Tag nicht mehr viel anzufangen, nochmal in den Spiegel und die Debug geguckt, danach Luftmatratzen und bisschen Festivalzeugs gekauft. Bei Regen kann man auf Gomera nicht viel machen, zum Glück hat der Wetterbericht für den Rest der Woche strahlenden Sonnenschein angesagt.

Wandertag und ein Wunder



 

Zum Meditationszentrum hat’s Johannes natürlich nicht geschafft. :) Stattdessen haben wir lange geschlafen und dann ausgedehnt auf unserer Terasse gefrühstückt. Dazu gab’s ’nen herrlichen Meerblick, was will man mehr? Wir lernten einige freundliche Gestalten kennen, die auch in unserem Häuschen lebten, allesamt etwas älter, zwischen 35 und 45, aber sehr entspannt drauf. Das scheint bisschen der typische Gomera-Urlaubertyp zu sein. Viele waren früher schonmal da, wahrscheinlich zu etwas wilderen Zeiten und wollen nun nach 20 Jahren mal schauen, wie’s jetzt ist. Lustig ist, dass die Männer unter den Touris alle fast identisch aussehen: Groß, Kurzhaarschnitt, Brille und schlank. Sie sind wirklich alle schlank, was in diesem Alter eigentlich alles andere als normal ist. Teilweise sehen sie sich so ähnlich, dass ich sie nicht auseinanderhalten kann. Sehr seltsam.

Gegen 14 Uhr beschlossen wir endlich unser lang gehegtes Vorhaben in die Tat umzusetzen und wandern zu gehn. Ein Paar aus unserem Ferienhaus lieh uns einen Wanderführer, wir beschlossen, einen 1000 Höhenmeter-Aufstieg ins nächste Dorf anzugehen. Laut Wanderführer sollte das zweieinhalb Stunden dauern. Maßlose Übertreibung, dachten wir, und nahmen uns vor, in zwei Stündchen oben zu sein.

Die ersten Kilometer waren nicht gerade berauschend, wir liefen in einem ausgetrockneten, hässlichen Flussbett entlang und bogen noch dazu falsch ab, was uns ein Stück Asphaltstraßenmarsch bescherte. Nachdem wir die Zivilisation hinter uns gelassen hatten wurde es aber echt spektakulär. Wir liefen an tiefen Schluchten und grünen Tälern vorbei, der Weg wand sich immer höher in die Berge empor. Nach jeder Biegung gab es neue atemberaubende Ausblicke.

Allerdings machte uns etwas stutzig, dass uns zwar viele Wanderer entgegen kamen, aber keiner in unsere Richtung lief, scheinbar waren alle schon auf dem Rückweg. Inzwischen waren auch zwei Stunden vergangen und noch kein Ziel in Sicht. Wir hofften, oben im Dorf einen Bus zurück ins Valle zu finden, sonst hätten wir ein Problem, denn bis zum Einbruch der Dunkelheit würden wir den Rückweg nicht schaffen.

Nach einer weiteren Stunde kamen wir endlich oben an. Dauerte doch länger als gedacht, waren wir solche Weicheier? Alles in allem war es aber trotz der 1000 überwundenen Höhenmeter ein recht einfacher Aufstieg. Ich erinnerte mich an die Besteigung des über 6000 Meter hohen Huayna Potosi in Südamerika. Am Tag der Gipfelbesteigung stiegen wir von 5000 auf 6000 auch nicht mehr als 1000 Höhenmeter auf und viel steiler war es dort auch nicht. Trotzdem war das eine so unendlich größere Anstrengung, dass mir richtig bewusst wurde, welche große Rolle der Sauerstoff dabei spielte.

Im Dorf fragten wir in einer Kneipe nach dem Busfahrplan. An der Bar saß ein Taxifahrer, der anbot, uns für 25 Euro mit dem Taxi runter zu fahren. Wir teilten uns das mit drei älteren Touris, die auch in der Kneipe rumsaßen. Auf dem Rückweg fragte ich, wie lange sie für den Aufstieg gebraucht hatten. Als ich hörte, dass sie fünf Stunden unterwegs waren, fühlte ich mich in meiner Trekker-Ehre wieder rehabilitiert. :)

Am Abend suchten wir uns ein Internetcafe, um uns bisschen über das Goa-Festival zu informieren. Die Fotos von der Location sahen echt cool aus, angeblich wurden auch schon 2000 Tickets verkauft. Der Internetladen war bisschen esotherikmäßig eingerichtet und gehörte einem ausgewanderten Deutschen, den Johannes bisschen über das Festival ausfragte. Was er sagte, klang allerdings nicht gerade ermutigend. „Ich sag’s euch, das wird nichts. Es gibt nur eine Zufahrtsstraße, die wird die Polizei absperren, jedes Auto durchsuchen und alles rausziehn!“ Und wo können wir ein Zelt kaufen? „Zelte könnt ihr vergessen, ich kenne die Veranstalter, die haben alle Zelte auf der Insel aufgekauft!“

Wir bekamen außerdem mit, dass ganz Gomera seit Wochen außer Rand und Band war, weil keiner dieses Festival dort haben wollte. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass eine Horde Druffies alles kurz und klein schlagen und den Untergang des Abendlandes einläuten würde. Wir überlegten hin und her, ob wir im Valle bleiben oder zum Festival fahren sollten. Unser Hauptproblem war nach wie vor das Zelt.

Wir zogen bisschen durch die Geschäfte und landeten schließlich in einer Ferreteria, so nennt man dort die Gemischtwarenläden. Und als hätte der Himmel seine Finger im Spiel gehabt, lag dort ein einziges Zelt mit zwei Schlafsäcken herum, wie für uns bereit gelegt. Wir wollten noch eine Nacht drüber schlafen und fragten, wann der Laden morgens aufmachte. Um 8 Uhr öffnen die Pforten wieder, sagte man uns. Direkt hinter uns wurde auch abgeschlossen, also konnte uns niemand mehr das Zelt wegschnappen.

Bei ’nem Bierchen auf unserer Terasse fiel uns dann die Entscheidung nicht mehr schwer: Ein Zelt, zwei Schlafsäcke, das musste ein Zeichen sein. Goa Party, wir kommen! Das wird ein Spaß, Silvester unter freiem Himmel tanzen! Morgen früh werde ich um halb 8 aufstehen und zur Ferreteria stürmen, um direkt nach der Ladenöffnung das Zelt zu kaufen. Gerade gehen uns noch Gedanken durch den Kopf wie: Es könnte nachts ein Kumpel des Besitzers bei der Ferreteria anrufen, sagen, dass er ein Zelt braucht und es nachts dort abholen. Aber das sind jetzt echt Paras, der Internetcafebesitzer war einfach ’ne Laberbacke und ein Spinner vor dem Herrn.

Sonne, Strand und Partyhoffnung



 

Na wenn das mal kein Wink des Himmels ist! Heute früh sind wir mit dem Bus zum Valle Gran Rey aufgebrochen, unterwegs haben wir zwei Jungs aus Deutschland kennen gelernt. Die fragten, ob wir auch zur Party wollten. Welche Party? Na das Goa-Festival auf Gomera, das über Silvester steigt!

Konnte das wirklich wahr sein? Seit Tagen überlegten wir, was wir Silvester machen könnten, ich hab uns schon fast mit englischen Hooligans in ’ner Kneipe in Los Cristianos feiern sehn, und jetzt sowas! So ganz traue ich dem Braten zwar noch nicht, aber es scheinen ’ne ganze Menge Leute extra deswegen anzureisen. Die beiden Jungs heißen Jens und Boris und erzählten uns, dass der Veranstalter wohl schon 1500 Tickets verkauft hätte. Das sind ja mal perfekte Aussichten! Außerdem lernten wir einen verpeilten Indianer namens Jimmy kennen. Er war schon über 50 und quatschte jeden an, den er gerade traf. Scheinbar war er auf sämtlichen Festivals, die es gibt auf dieser Welt. „Hier ist’s super,“ meinte er, „aber Thailand ist anders. Da wird gleich 7 Tage gefeiert, hier ist’s zu kurz, 7 Tage musst du feiern!“

Die Busfahrt führte uns durch unglaubliche Landschaften. Wir konnten einige Blicke in tiefe, grüne Canyons erhaschen, hier sollten wir unbedingt mal richtig schön wandern gehn. Bisschen Sorgen machte ich mir über unsere bislang nicht vorhandene Unterkunft. Die Jungs meinten, es sei gerade Hauptsaison und alles wäre ausgebucht. Johannes und ich gingen taktisch vor. In Valle Gran Rey angekommen, stiegen wir etwas vor den anderen aus. Wir wollten an eine Telefonzelle stürmen und von dort aus ein Zimmer reservieren, bevor der restliche Pulk aus dem Bus die Hotels erreichen konnte. Aber so einfach war das nicht, denn es war wirklich so gut wie alles belegt. Nach ’ner halben Stunde bot man uns endlich ein Doppelzimmer für 35 Euro an, allerdings nicht direkt am Meer und ohne Ausblick.

Egal, ich war froh, überhaupt was gefunden zu haben. Auf dem Weg dorthin sah Johannes ein Schild an einem Haus „Ferienwohnung zu vermieten“. Ich war schon leicht angenervt und dachte „teuer oder belegt“, aber Johannes wollte unbedingt fragen. Zum Glück, denn wir bekamen ein super Doppelzimmer für 30 Euro, außerdem konnten wir die Küche und Terasse mit Meerblick benutzen.

Es war ein paradiesischer Tag, strahlende Sonne und herrliche Wärme. Wir machten einen Ausflug zur Schweinebucht, wo es außer einem ungemütlichen Steinstrand und einem eigenartigen Meditationszentrum allerdings nicht viel zu sehen gab. Der Sandstrand etwas weiter vorn war das schon wesentlich einladender. Und endlich sprangen wir zum ersten Mal in diesem Urlaub ins Meer, was für ein Gefühl! Dann begegneten uns Boris, Jens und der Indianer wieder, die immer noch auf Zimmersuche waren. Schließlich fanden sie was über einen Bekannten von Jimmy (was so ziemlich jeder Mensch zu sein scheint, den er trifft), und zogen dort ein.

Abends wurde es richtig nett im Valle. Am Strand wurde getrommelt, Didgeridoo gespielt und gechillt. Früher war Gomera das Aussteiger- und Hippieparadies, davon soll heute angeblich nicht mehr viel übrig sein, aber da konnte man ein bisschen das alte Flair schnuppern.

Auf dem zentralen Plaza lernten wir zwei deutsche Chicas kennen. Überhaupt scheint jeder Ausländer auf der Insel Deutscher zu sein, überall gibt’s deutsche Geschäfte, deutsche Schilder, aber nicht unangenehm, weil’s doch ein recht gechilltes, etwas alternatives Völkchen ist. Die Chicas hatten sich auf der Insel kennen gelernt und konnten unterschiedlicher kaum sein. Eine war ganz lustig partymäßig drauf und überlegte, auch auf’s Festival zu fahren. Die andere, Donia, war so ziemlich die ruhigste, langweiligste Person, die ich je getroffen habe. So langweilig, dass es schon fast wieder faszinierend war.

Sie kam aus einem bayrischen Dort und wollte mal was total krasses machen, also flog sie weg. Die Entscheidung fiel zwischen Indien und Gomera, aber Indien war dann wohl doch zu heftig. Also landete sie im 5-Sterne-Hotel auf Gomera. :) Wir wollten sie überreden, mal bisschen auszurasten und mit auf die Goa zu kommen, sich ordentlich abzuschießen und zu gucken, was passiert. „Ja, ich überlegt’s mir mal…“ Wir fragten: „Gibt’s bei euch denn auch Parties im Dorf?“ „Naja… die Kirchweih.“ „Dann isses aber ganz schön langweilig, oder?“ „Ja, ich führe schon ein sehr, sehr, ruhiges Leben…“ Das meinte sie auch noch alles ernst, ich musste aufpassen, mich nicht vor Lachen wegzupacken.

Johannes legte dann mit bisschen biergeschwängertem Psychologen-bla-bla los, was er scheinbar auch noch ernst meinte. Highlight war dann aber der Satz von ihm: „Als ich dich vorhin gesehen hab dachte ich: Was für eine langweilige Person!“ Stille. Zum Glück schob er noch nach: „Aber eigentlich bist du voll interessant, du weißt nur nicht so richtig, wer du selber bist.“ Sie sagte eigentlich zu allem ja ja, irgendwann verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg. Ich fragte, ob sie ein Stück mit gehen wollte, aber das war ihr dann doch zu suspekt.

Morgen früh um 7 Uhr will Johannes im Meditationszentrum meditieren gehen und eventuell dort diese Donia treffen. Ich kann mir ja kaum vorstellen, dass er das hinkriegt, aber schaun mer mal.