Heute Morgen wollten wir Richtung Ukraine starten, aber es gab erstmal einen kleinen Schocker: Unser Kühlschrank hatte über Nacht die komplette Autobatterie leer gezogen und das Schnauferle gab keinen Mucks mehr von sich, als Johannes es starten wollte. Glücklicherweise konnte uns ein netter Slowake Starthilfe geben und wir konnten das Schnauferle wieder in Bewegung setzen.
Nach einer halben Stunde Fahrt erreichten wir die ukranische Grenze. Ich war auf eine ziemliche Tortur vorbereitet, die EU Außengrenze zu passieren, aber am Ende war alles halb so wild. Der slowakische Grenzbeamte öffnete die Hecktür des Schnauferle, warf einen Blick hinein und meinte nur: „Hm, ein Abenteuer.“ Nachdem Johannes ihm erzählte, dass wir durch die Ukraine über Moldawien nach Rumänien und Bulgarien wollten, meinte er zunächst skeptisch, dann amüsiert schauend: „Na dann, viel Glück!“
Seeblick aus dem Schnauferle
Abschied vom See
Grenzübergang zur Ukraine
Ukrainische Schnauferle-Durchsuchung
Rein in die Ukraine
Bushaltestelle 1…
…und Bushaltestelle 2
Orthodoxe Kirche
Abendbad im Fluss
Tuk-Tuk
Die ukrainischen Beamten kamen schon etwas grimmiger daher, aber ein genauerer Blick auf das Schnauferle konnte auch ihnen ein Schmunzeln in Gesicht zaubern. Vielleicht war es auch der Schnaps, der aus ihren Mündern zu riechen war, auf jeden Fall hatte ich den Eindruck, dass sie nicht so recht wussten, ob sie unser Gefährt belächeln oder verdächtig finden sollten.
Sie „durchsuchten“ den Wagen zu zweit, aber die Aktion beschränkte sich darauf, einmal kurz alle Schränke zu öffnen, kurz hinein zu schauen, drinnen irgendetwas lustiges zu finden und sich dann gegenseitig anzugrinsen. Man gratulierte uns noch zum WM-Sieg, dann durften wir weiter und waren nun tatsächlich in der Ukraine.
Wir suchten uns einen Parkplatz im ersten Ort hinter der Grenze namens Uschhorod und beschlossen, dort die nächste Nacht zu verbringen. Wir und das Schnauferle in der Ukraine, das fühlt sich richtig gut an. Kyrillische Schrift, eine ganz andere Kultur, es scheint, als wären wir endlich so richtig weit weg. Und die Frauen sind wirklich wunderschön, es ist kein Gerücht, es gibt sie wirklich, die unglaublich schönen Ukrainerinnen.
Heute Morgen war es an der Zeit, unser rollendes Zuhause wieder in Bewegung zu setzen und Richtung Ostslowakei aufzubrechen. Wir hatten beschlossen, unseren Weg Richtung Rumänien nicht über Ungarn fortzusetzen, sondern durch die Ukraine über Moldawien von Norden aus ans Schwarze Meer zu stoßen, da das viel mehr nach Abenteuer roch. Heute wollten wir so nah wie möglich an die ukrainische Grenze kommen, um morgen möglichst früh rüber setzen zu können. Ich hatte da so Geschichten von stundenlangen Grenzkontrollen gehört.
Östlich der Hohen Tatra veränderte sich die Landschaft ziemlich schnell, die schroffen Hochgebirgsformationen wichen nun einer hübschen, grünen Hügellandschaft. Wir legten einen Zwischenstopp an der Ruine des „Spissky Hrad“ Schlosses ein, es stammt aus dem 12. Jahrhundert und war eine der größten Festungen Europas. Wir kletterten ein Stündchen in den alten Gemäuern herum, dann setzten wir uns wieder ins Schnauferle, um weiter Richtung Osten zu fahren.
Das Schloss „Spissky Hrad“
Blick von Schloss
Abendhimmel
Unser Ziel war „Zemplinska Sirava“, ein großer Stausee im Osten der Slowakei, 40 Kilometer vor der ukrainischen Grenze. Die Straße führte uns durch kleine Dörfer, an deren Straßenrand jung und alt in der Sonne saß, miteinander quatschte und man anscheinend recht gechillt unterwegs war. Doch wo auch immer wir vorbei kamen, das Schnauferle zog immer die Blicke auf sich. Wir erreichten den See gerade noch im letzten Dämmerlicht und fanden am Ufer ein ruhiges Örtchen, an dem ein paar vereinzelte Zelte standen.
Wir wussten nicht so recht, ob das nun ein offizieller Campingplatz war oder nicht, aber versuchten, den Eindruck zu erwecken, als hätte es schon seine Richtigkeit, dass wir dort campierten. Das schien auch keinen zu stören, also kochten wir uns im Schnauferle ein Abendessen und ließen den Tag mit einem Bierchen ausklingen.
Mann, Mann, Mann, wir sind Weltmeister! Wahnsinn, krass, geil, damit hätte ich vor der WM absolut nicht gerechnet. Wir schauten das Spiel in einem Restaurant hier im Ort. Mit von der Partie waren Achim und Frank, die wir gestern hier kennen gelernt hatten.
Achim und Frank waren Ende 30, richtige Trekker und wir waren der Meinung, dass die beiden nicht so richtig wussten, ob sie uns als Spinner oder ernstzunehmende Tatra-Trekker einordnen sollten. So machten wir uns vor dem Spiel einen Spaß daraus, die beiden noch etwas mehr zu verwirren, wofür nicht viel mehr nötig war, als ein paar Reisegeschichten auszupacken.
Weltmeister mit Achim und Frank
Johannes taucht ab…
…und ich auch
Kurz vor dem Anpfiff versammelten wir uns zu viert vor dem Fernseher und Achim entglitten die Gesichtszüge, als er die Startaufstellung sah. Kramer im Sturm, das konnte er nicht fassen. Achim war für 5 Minuten nicht mehr ansprechbar und völlig aufgelöst. Dann war endlich Anstoß. Mit fortschreitendem Spielverlauf ohne Tor wurde Achim immer angespannter und ich hatte Sorge, dass Johannes gleich psychologische Hilfe leisten müsste, falls das Spiel verloren ginge.
Ging es aber nicht und nun sind wir tatsächlich Weltmeister! Wir feierten mit Achim, Frank und unzähligen Schnäpsen, heute Mittag wachte ich schließlich im Schnauferle auf, ohne wirklich zu wissen, wie ich dorthin gekommen bin. Heute ging dann auch nicht sehr viel bei uns, wir gönnten und einen entspannten Tag im Wellness-Bereich eines Hotels. Sauna, Pool und Dusche, die so langsam auch dringend nötig war, herrlich, fühlt sich an wie neu geboren! Zwischendurch schlichen wir uns geschickt ans Hotel-Buffet und konnten uns so kostenlos den Magen vollschlagen. Könnte man eigentlich öfter mal probieren. :)
Gestern Abend kamen wir in Strbske Pleso an, einem kleinen Ort in der Hohen Tatra, der am gleichnamigen See liegt. Eigentlich besteht der Ort nur aus Hotels, denn Strbske Pleso ist ein beliebter Startpunkt für Trekking-Touren in die Berge. Das hatten wir auch vor, aber zunächst brauchten wir einen Standort für unser fahrendes Zuhause. Kostenlos sollte er sein und nicht zu abgelegen. Johannes entdeckte einen passenden Seitenstreifen neben einer Leitplanke, perfekt! Schnauferle abgestellt, Eier in die Pfanne geworfen, Campingtisch und -stühle hinter auf dem Grünstreifen aufgebaut, Abendessen.
Wir sind mit dem Schnauferle eine ziemliche Attraktion in der Slowakei, denn jeden Tag fotografieren wildfremde Leute uns und das Auto. So auch gestern, kaum hatten wir es uns auf dem Grünstreifen bequem gemacht, hielt vorbeifahrendes Auto an, aus dem ein Rentner mit einem riesigen Objektiv stieg und Fotos von uns machte. Wenn das so weiter geht, sind wir bald in der Zeitung hier.
Unser Stellplatz an der Leitplanke
Abendessen auf dem Grünstreifen
See am Abend
Hotel am See
Frühstück vor’m Schnauferne
Trekking in der Hohen Tatra
Dort hoch wollen wir
Die Hälfte ist geschafft
Pause auf dem Gipfel
Heute Morgen brachen wir zu einer Trekking-Tour in die Berge auf. Strbske Pleso liegt auf 1300 Meter Höhe, unsere Tour führte uns über einen 2000 Meter hohen Berg durch wunderschöne Landschaften. Wir starteten im Wald, erreichten bald die Baumgrenze und waren plötzlich von karstiger Felslandschaft umgeben. Das hatte ich auf jeden Fall gebraucht, raus aus der Stadt und ordentlich Naturluft schnuppern. So langsam komme ich runter von dem Stress der letzten Wochen Reisevorbereitung. Ich bekomme eine Ahnung von dem Flow, in dem ich mich hoffentlich bald befinden werde und es fühlt sich richtig gut an.
Gleich ist aber erstmal WM-Finale. Und wir vielleicht gleich Weltmeister. Wahnsinn.
Slowakische Party gab’s gestern nicht wirklich. Die Hostel-Crew schleppte uns wieder mit, diesmal zu einer Kneipe in einer mit Bars gesäumten Straße in der Altstadt. Es war warm draußen, deshalb stellten sich alle mit ihrem Bier davor. Aber wieder in diesem Pulk aus 20 Hostel-Leuten zu hängen, für die die Stadt nur Kulisse für ihr Besäufnis war, fanden Johannes und ich nicht so prall.
Wir hatten nachmittags eine Japanerin namens Cary kennen gelernt, die im Hostel arbeitete. Sie war auch ein wenig genervt von der Runde, also flüchteten wir zu dritt in die nächste Kneipe, tranken Bierchen und quatschten die halbe Nacht. War echt interessant, mit ihr zu reden und ein wenig über die japanische Kultur zu erfahren. Statt Individualismus wird dort Kollektivismus als höchster Wert angesehen und im Umgang miteinander ist es extrem wichtig, darauf zu achten, dass sich der andere durch nichts gestört fühlt. So sehr ich verstehen kann, dass eine Gesellschaft diese Art des Zusammenlebens als ein hohes Gut sieht, finde ich es doch ziemlich schräg, dass eine eigene, individuelle Meinung als Affront gesehen und nicht akzeptiert wird.
Cary stammte aus Fukushima und ihre Familie lebt noch dort. Es war superinteressant, mal mit jemandem zu sprechen, der direkt von der Atomkatastrophe betroffen ist. Sie erzählte, wie die Menschen dort versuchen, zu einer Art Normalität zurück zu finden und viele nicht bereit sind, von dort weg zu ziehen. Es gibt sogar Freiwillige, die ihren Garten zu Verfügung stellen, um kontaminierte Erde zu lagern, denn die oberste Erdschicht wird um den Unglücksort herum mehrere Meter tief abgetragen und irgendwo muss das Zeug dann hin.
Später wollten wir uns noch eine slowakische Party suchen, aber alles, was wir in der Altstadt fanden, war komplett mit Touris verseucht. Darauf hatten wir alle keinen Bock, also zogen wir irgendwann ins Hostel zurück.
Bratislava von oben
Das Schnauferle auf dem Parkplatz in Bratislava
Frühstück im Schnauferle
An der Tankstelle
…und ich on the road
Johannes…
Heute Morgen packten wir unsere Sachen, um uns mit dem Schnauferle auf den Weg in die Hohe Tatra zu machen. Johannes hatte das Gefährt auf einem Parkplatz in der Altstadt geparkt und war der Meinung, das Ticket würde 1,50 Euro am Tag kosten. Leider hatte er übersehen, dass der Preis nicht für den ganzen Tag, sonder pro angefangene 30 Minuten galt. So klappte mir fast die Kinnlade runter, als ich am Automaten bezahlen wollte und dieser 52,50 Euro anzeigte. Die Ausfahrt war mit einer Schranke geschlossen, die sich keinen Millimeter bewegte, so lange wir nicht löhnten.
Der Parkplatz war mit Betonpollern umgeben, so dass eine alternative Ausfahrt nicht in Frage zu kommen schien. Doch glücklicherweise entdeckte Johannes eine Lücke, die gerade groß genug für das Schnauferle war. Wir schienen unbeobachtet zu sein, also sprangen wir ins Auto, gaben Gas und flüchteten unerkannt.
Gestern bin ich per Zug von Starnberg über München und Wien nach Bratislava gefahren. Nach sieben Stunden Fahrt kam ich abends hier an. Ich hatte mir ein Bett im 10er Dorm des Wild Elephant Hostels reserviert. 15 Euro muss ich dafür pro Nacht löhnen, hätte in Osteuropa eigentlich mit weniger gerechnet.
In meinem Zimmer lernte ich den Australier Joe und einen bärtigen Engländer kennen, der so einen krassen britischen Akzent hat, dass ich fast nichts von dem verstehen konnte, was er sagte. Nicht mal seinen Namen, irgendwas mit „Sch“, der Rest verschwand irgendwie in seinem Bart.
Wir ließen uns von der süßen ungarischen Hostelmitarbeiterin Lila ein Restaurant für typisches slowakisches Essen empfehlen und kehrten dort zu dritt ein. Ich probierte das slowakische Nationalgericht Haluschki, das aus Kartoffeln und Käse mit Käsesoße und noch mehr Käse oben drüber besteht. Ich verstand den bärtigen Engländer immer noch nicht, aber er sah irgendwie so lustig aus beim Sprechen, dass ich ihm gerne zuschaute und hin und wieder „Jaja“ sagte.
Abends zog das halbe Hostel los in eine Kneipe um die Ecke, wo das große Bier kostete nur einen Euro kostete. Dazu gab’s ein bisschen Traveller Bla-bla, das mich aber ziemlich schnell langweilte. Ich hatte das Gefühl, die Geschichten schon 1000x gehört zu haben und hatte auch keinen so richtigen Bock auf eine 20-Mann-Sauftruppe. Lila interessierte mich, aber in ihrer Nähe war kein Platz frei, also verabschiedete ich mich bald. Irgendwie freue ich mich drauf, bald die ausgetretenen Pfade zu verlassen und Richtung Iran zu steuern, wo einem sicherlich nicht mehr als allen Ecken „Where-have-you-been-before-where-will-you-go-next-what-was-your-favorite-place“ entgegenschallt.
Süße Gasse
Interessante Gasse
Grün auf Gemäuer
Pozor!
Festung
Sozialistische Baukunst
Unter der Brücke
Suppe im Brot
Heute bin ich ein wenig durch die Altstadt geschlendert, die echt süß ist. Überhaupt ist die Stimmung in Bratislava recht entspannt, hätte ich gar nicht so gedacht. Ich habe auch mal die Donau überquert und mir das südlich gelegene Plattenbauviertel aus tiefsten Sozialismuszeiten angeschaut. Es ist riesig, Betonklotz an Betonklotz, aber nicht wirklich heruntergekommen, zumindest der Teil, den ich gesehen habe.
Gegen 15 Uhr kam Johannes schließlich mit dem 30 Jahre alten T1 an. Seine schwäbischen Vorbesitzer haben die Karre „Schnauferle“ getauft, weil er am Berg immer etwas in Schnaufen gerät. Wir werden noch für eine Nacht hier im Hostel bleiben, dann geht’s mit dem Schnauferle Richtung Hohe Tatra. Natur und 2500 Meter hohe Berge erwarten uns da, freue mich schon voll drauf. Heute Abend werden wir uns aber erstmal das Bratislavaer Partyleben etwas näher anschauen.
Nachdem ich mich vorgestern am Nürnberger Bahnhof von Alex verabschiedet hatte, machte ich mich mit dem ICE auf den Weg nach München und dann weiter ins benachbarte Starnberg. Meine Freundin Lisa aus Berlin besucht dort gerade zusammen mit ihrem Freund Daniel ihre Familie und hatte mich eingeladen, doch auf dem Weg in die Welt einen Abstecher dorthin zu machen. Ich kam gegen 22 Uhr abends an, pünktlich zum Anstoß des WM Halbfinales Deutschland Brasilien. 7:1, was für ein Hammer! Daran wird man sich wohl in 50 Jahren noch erinnern.
Haus von Lisas Familie
Mit Lisa und Daniel im Grünen
Platz in Starnberg
Hoch die Maß!
Abschied vom Starnberger See und Deutschland
Der nächste Tag war recht verregnet, irgendwann trauten wir uns dann aber doch mal vor die Tür und drehten ein Ründchen durch die Starnberger Wälder und Felder. Ich spürte, wie die Ruhe dort mich so langsam ein bisschen runter brachte vom Stress der Reisevorbereitungen in den letzten Wochen. Abends gingen wir mit Lisas Familie zünftig bayerisch essen, mit Schweinsbraten und einer ordentlichen Maß Bier dazu.
Abends gab’s dann das zweite Halbfinale, Argentinien gegen Holland, und das war so ziemlich das Langweiligste, was ich jemals gesehen habe. Ich hatte das Gefühl, da wollte gar niemand gewinnen, aus Angst vor dem Massaker, das da im Finale warten würde.
Heute ist es nun an der Zeit, Deutschland für längere Zeit hinter mir zu lassen. Ich werde mich gleich von Lisa und ihrer Familie verabschieden, dann geht’s mit dem Zug durch Österreich weiter über die slowakische Grenze nach Bratislava.
Von Berlin ging’s gestern Morgen per Fernbus los nach Nürnberg. Stephanie verabschiedete mich am Busbahnhof, aber nicht für allzu lange, denn sie wird in 4 Wochen nach Bukarest geflogen kommen und wir werden ein Stück zusammen reisen.
Das Busticket kostete nur 15 Euro, mit der Bahn hätte ich für die gleiche Strecke über 100 gelöhnt. Das Ding mit den Fernbussen geht echt gerade so richtig durch die Decke, da wird die Bahn noch ziemlich dran zu knabbern haben.
In Nürnberg holte mich mein alter Schulfreund Alex vom Bahnhof ab und brachte mich ins benachbarte Schwabach. Ich hatte Alex seit 5 Jahren nicht gesehen und hab mich voll gefreut, dass wir es nun endlich mal auf die Kette gekriegt haben uns zu treffen. Ich musste dafür zwar erstmal zur Weltreise aufbrechen, aber egal. :)
Abschied von Stephanie am Berliner Busbahnhof
Am Schwabacher Brunnen mit Alex
Gasse mit Fachwerk in Schwabach
In Schwabach liefen wir ein kleines Ründchen durch den Ort, unterwegs erzählte mir Alex, dass man Schwabach auch „Goldschlägerstadt“ nennt. Den Grund dafür nannte er mir sicherlich auch, aber ich habe ihn direkt wieder vergessen.
Letztendlich ging es ja auch nicht um Schwabach, sondern darum Alex mal wieder zu sehen. Wir hatten einen schönen Tag und Abend, dann eine Nacht auf einer Matratze zwischen Werkzeug und Farbeimern, denn Alex war gerade frisch umgezogen.
Seine Freundin machte sich die ganze Zeit Gedanken, ob man mir so eine rustikale Unterkunft anbieten könne. Darüber konnte ich nur schmunzeln, denn in der nächsten Zeit werde ich sicherlich das ein oder andere Mal in ganz üblen Absteigen landen, wo ich sehnsüchtig an den Luxus einer weichen Matratze mitten in der Baustellenwohnung zurück denken werde.
Seit meiner 6-monatigen Südamerikareise 2008 spürte ich immer mal wieder den Drang, nochmal länger mit dem Rucksack in die Welt hinaus zu ziehen. Ich konnte ihn mit ein paar kürzeren Touren zwischendurch zwar so einigermaßen m Zaum halten, aber wirklich lange hielt das nie an.
Ich habe in den letzten 5 Jahren als selbstständiger Programmierer gearbeitet und hatte mir vorgenommen, dass ich, sobald die Auftragslage mal dünn war, meine Wohnung untervermieten und nochmal für eine Weile durch Südamerika ziehen würde. Nun ja, die Auftragslage wurde bis heute nicht dünn und so habe ich mich vor 3 Monaten entschlossen, den Schritt von mir aus zu gehen. Und zwar ziemlich radikal.
Ich habe meinen Job an den Nagel gehängt, die Wohnung gekündigt und alles verkauft, was mir nicht wirklich wichtig war. Ich war erstaunt wie wenig das am Ende noch war. Ich hatte mir vorgenommen, meinen Besitz so weit zu reduzieren, dass er in eine Holztruhe passen würde. Das habe ich geschafft, die Truhe ist gefüllt und steht nun bei meinem Freund Johannes im Keller.
Das kommt in den Rucksack rein…
…das in die Truhe, die in Berlin bleibt…
…und mehr besitze ich nicht mehr.
Mein Rucksack ist gepackt, damit werde ich morgen aufbrechen auf eine lange Reise. Ich glaube, es wird sogar mehr viel mehr als eine Reise, ich würde es als eine Lebensphase ortsungebundenen Lebens bezeichnen. Ein Teil davon wird Reisen sein, ein Teil arbeiten, vielleicht finde ich mal einen Ort zum länger bleiben oder einen, der mir so gut gefällt, dass ich dort nie mehr weg will. Ich bin da völlig offen und habe auch keine Ahnung, wie lange das Ganze überhaupt dauern wird. Im Moment fühlt es sich wie irgendwas zwischen zwei und fünf Jahren an, aber das kann sich unterwegs auch gut noch ändern.
Zunächst möchte ich nach Südostasien kommen, so weit wie möglich über Land. Ab Donnerstag werde ich mit meine Freund Johannes 6 Wochen lang mit seinem 30 Jahre alten T1-Wohnmobil durch Osteurapa fahren: Slowakei, Ungarn, dann weiter ans Schwarze Meer nach Rumänien und Bulgarien, falls die Karre uns wirklich so weit tragen sollte. An der türkischen Grenze wird er mich dann in 6 Wochen rauswerfen und ich werde weiter durch die Türkei in den Iran fahren. Von Teheran aus will ich nach Indien fliegen, dann weiter nach Bangladesch, Myanmar, Thailand, Kambodscha, Vietnam und Laos. Dann wird wohl so ungefähr ein Jahr vorbei sein und ich werde bis dahin sicher eine Idee haben, wie das Ganze so weiter gehen soll.
Morgen geht’s von Berlin aus per Bus zu meiner ersten Station: Schwabach bei Nürnberg, wo ich meinen alten Schulfreund Alex besuchen werde.
Heute war unser letzter Tag in Israel. Ich wollte unbedingt nochmal ins Meer springen, bevor wir ins kalte Deutschland zurück mussten. Wir machten uns gegen 10 Uhr morgens auf den Weg zum Strand. Das Wetter war super, 20 Grad und Sonnenschein. Ich sprang sofort ins Wasser und genoss die sicherlich letzten Schwimmzüge für die nächsten Monate.
Tel Aviv hat einfach ein superentspanntes Flair und ich fand es fast ein bisschen schade, dass wir hier diesmal nur so wenig Zeit verbringen konnten. Die Menschen scheinen ziemlich gechillt unterwegs zu sein, durch die Straßen zu bummeln oder am Strand rumzuhängen. Da geht es in Jerusalem doch wesentlich traditioneller zu, was zwar auch seinen Reiz hat, aber eben völlig anders ist.
Abschied vom Meer
Strand von Tel Aviv
Yachthafen
Spezialkontrolle am Flughafen
Sonnenuntergang
Flugzeug
Um 12 Uhr machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Dort wartete die obligatorische Security-Befragung auf uns, die wir schon von unserer letzten Reise kannten. Damals wurden wir unter anderem gefragt, ob wir jemanden in Israel kennen würden und getroffen hätten. Ich war der Meinung, dass wir lieber nicht erwähnen sollten, dass wir Riyad im palästinensisch kontrollierten Ramallah getroffen haben, weil das garantiert eine Spezialbehandlung nach sich gezogen hätte. Stephanie bekam aber schon beim Gedanken daran, dort lügen zu sollen, ganz rote Flecken im Gesicht, so hätten wir uns dort auf jeden Fall auch nicht präsentieren können und beschlossen, auf Nachfrage die Wahrheit zu sagen.
Als wir vor der Beamtin standen, die uns mit stechendem Blick fixierte, interessierte sie sich aber viel mehr für unsere Pass-Stempel aus islamischen Ländern. Sie fragte dreimal, wie lange wir in Jordanien waren, ich verhaspelte mich fast, weil ich das wirklich nicht auf Anhieb sagen konnte. Mich fragte sie noch nach dem kurzen Malaysia-Trip vor zwei Jahren, dann wurde sie auf Stephanies Indonesien-Aufenthalt in diesem Jahr aufmerksam.
Als sie sah, dass sie dort 7 Monate verbracht hatte, wurde sie ganz hellhörig. Sie hätte dort ja sicher Einheimische kennen gelernt, ob sie zu denen noch Kontakt hätte, diese von dieser Israel-Reise wussten und gebeten hätten, hier Leute zu treffen. Ihr Blick wich dabei nicht von Stephanies Gesicht, jede Veränderung der Mimik schien von ihr wahrgenommen zu werden. Dann verschwand sie mit unseren Pässen und beriet sich mit der Leiterin der Security. Nun kam diese zu uns, stellte selbst noch ein paar Fragen, dann wurden wir der Gruppe zugeteilt, für die eine detailliertere Kontrolle vorgesehen war.
Wir mussten unsere großen Rucksäcke auspacken und man wischte Stück für Stück unserer Sachen mit einem ominösen blauen Stab ab, an dessen Spitze sich ein weißes Stofftuch befand, das irgendwelche Proben aufnahm, die dann von einem anderen Gerät analysiert wurden. Auf Nachfrage wollte man uns nicht sagen, was da genau überprüft wurde, ich schätze, es geht einfach um Spuren von Sprengstoff.
Als der Inhalt für ungefährlich befunden wurde, durften wir wieder einpacken, wurden aber danach vom Check-In bis zum Abliefern der Rucksäcke von der Security begleitet und nicht mehr aus den Augen gelassen. Das gleiche Prozedere blühte uns nochmal beim Handgepäck-Check, dort sahen wir, wie einzelne Fluggäste in kleinen, mit Vorhängen verhangenen Kabinen Spezial-Checks über sich ergehen lassen mussten. Keine Ahnung, was dort hinter diesem Vorhang passierte, wir mussten es glücklicherweise auch nicht herausfinden.
Schließlich hatten wir alles hinter uns, das ganze Prozedere dauerte insgesamt über zwei Stunden. Ich war froh, dass mein Laptop nicht zur genaueren Untersuchung einbehalten wurde, was angeblich auch hin und wieder vorkommen soll.
Nun sitzen wir im Flieger zurück nach Deutschland, konnten gerade noch einen wunderschönen, knallroten Sonnenuntergang sehen und landen gleich wieder im Berliner Winter. In zwei Stunden wird es für mich nur noch schwer vorstellbar sein, dass ich vor wenigen Stunden noch im Meer herum plantschte.
Es war auf jeden Fall eine richtig gute Reise, die mir viel länger als zwei Wochen vorkam und in der ich kaum einen Gedanken an mein Leben in Deutschland verschwendete. Mal sehen, ob ich irgendwann mal wieder nach Israel und Palästina komme, es wäre bestimmt noch interessant, den Norden Israels und den Golan kennen zu lernen. Aber lieber im Sommer, wenn es dort etwas wärmer ist. Und irgendwann wird es vielleicht sogar möglich sein, Gaza zu besuchen.