Ärger mit der transnistrischen Polizei



 

Als wir gestern Abend gemütlich im Schnauferle schlafen gehen wollten, hielt plötzlich ein Polizeiauto neben uns. Zwei uniformierte transnistrische Polizisten stiegen aus und sprachen uns auf russisch an. Wir verstanden kein Wort, die beiden deuteten daraufhin auf ein Verkehrsschild, das einen Pfeil nach links zeigte. Man wollte uns wohl zu verstehen geben, dass wir vor dem Schild hätten links abbiegen müssen und nicht stehen durften, wo wir standen.

Die beiden waren um die 30 Jahre alt, einer war recht rundlich, der andere schlacksig. Der rundliche ließ sich von Johannes Führerschein und Ausweis geben und redete weiter auf russisch auf ihn ein. Wir versuchten uns dumm zu stellen und taten so, als hätten wir keine Ahnung, was sie von uns wollten.

Nun sollte Johannes sich ins Auto setzen, der Dickliche setzte sich neben ihn holte ein Buch mit Abbildungen von Verkehrszeichen heraus. Johannes zeigte ihm darin das Zeichen für Parkverbot um klar zu machen, dass das nirgends zu sehen war.

Die beiden Polizisten wurden nun etwas ungehalten und der Dickliche machte Anstalten, mit Johannes auf dem Beifahrersitz loszufahren. Der Schlacksige gab mir zu verstehen, dass ich mit ihm dort warten sollte, ich aber riss die Tür auf und Johannes sprang aus dem Polizeiauto. Alleine mit der transnistrischen Polizei hätte ich ihn ganz bestimmt nicht in die Nacht hinfahren lassen.

Aber es war wohl ein wenig falscher Alarm, denn der Schlacksige malte nun mit viel Mühe eine kleine Karte auf, um deutlich zu machen, was sie vor hatten. Johannes sollte mit dem Dicken eine Runde um den Block fahren, um am Anfang der Straße das Parkverbotsschild anzuschauen. Das hatte Johannes selbst aber auch schon längst gesehen, also wechselten wir die Taktik und fragten mit Händen und Füßen, wie hoch die Strafe sei.

Der Dicke schrieb zwei Preisspannen auf einen Zettel: 50 – 100 transnistrische Rubel (3,50 – 7 Euro) und 50 – 100 Dollar (37,50 – 75 Euro). Wir verstanden zunächst nicht so recht und Johannes verlangte nach einer Quittung. Da strich der Dicke den Rubelpreis weg und ließ nur noch die Dollar stehen. Alles klar, ohne Quittung 50 – 100 Rubel, mit Quittung 50 – 100 Dollar. Wir entschieden uns für die Variante ohne Quittung, aber was sollte die Preisspanne? „Zahlen Sie was es Ihnen wart ist“ oder wie? Johannes zeigte auf die 50 Rubel, wir schoben den Schein rüber und es schien ok zu sein. Der Schlacksige war noch so nett, auf seiner gezeichneten Karte einen Stellplatz zu markieren, wo wir ungestört bleiben konnten, dann verschwanden die beiden.

Wir fuhren um die Ecke zum empfohlenen Platz und wollten wieder schlafen gehen, als plötzlich ein Polizeiauto um die Ecke geschossen kam und ein Zugriffstrupp einen Typen direkt vor unserem Auto festnahm. Wir konnten durch einen Spalt neben dem Vorhang aus dem Autofenster heraus alles sehen, die Polizisten schlugen ordentlich auf den Typen ein und mir wurde ziemlich mulmig. Wo waren wir hier gelandet? Wir verriegelten alle Türen und schliefen schließlich ein.

Eine Stunde später wurde ich nochmal wach, weil ein Polizeiauto mit quietschenden Reifen auf der anderen Straßenseite hielt und ein Polizist mit kugelsicherer Weste in ein Spielcasino stürmte. Kurz darauf kam er aber anscheinend erfolglos wieder heraus. Dann verlief die Nach zum Glück friedlich.

Heute Morgen mussten wir uns noch die Genehmigung besorgen, länger als 24 Stunden in Transnistrien bleiben zu dürfen. Im zuständigen Büro gab es das Formular dafür nur auf Russisch, aber eine nette Russlanddeutsche half uns glücklicherweise bei der Übersetzung.

Wir setzten uns wieder in Bewegung fuhren innerhalb einer Stunde einmal von Süden nach Norden durch fast das komplette „Land“, das teilweise so schmal ist, dass wir auf der linken Seite Moldawien und auf der rechten die Ukraine sehen konnten. Echt surreal.

Nun haben wir gerade einen Koch-Stopp in einem kleinen, transnistrischen Dorf eingelegt und ich habe die Kartoffeln gekocht, die wir auf dem ukrainischen Bauernhof in Kvasi gekauft hatten. Auch surreal.

Transnistrien – das Land, das es gar nicht gibt



 

Wir sind in Transnistrien. Das ist total surreal. Es mag wohl daran liegen, dass es dieses Land eigentlich gar nicht gibt.

Als im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion zwischen 1990 und 1992 Moldawien seine Unabhängigkeit erlangte, spaltete sich der überwiegend von Russen bewohnte östliche Landstreifen Transnistrien ab. Moldawien akzeptierte die Abspaltung nicht und griff Transnistrien 1992 mit Unterstützung von Rumänien an. Transnistrien wurde von Russland militärisch unterstützt und konnte nicht eingenommen werden. Nach fast fünf Monaten Bürgerkrieg mit über 1000 Toten kam es zu einem Waffenstillstandsabkommen. Bis heute wird Transnistrien von keinem Staat außer sich selbst anerkannt, allerdings hat Russland seine 14. Armee dort stationiert und damit Fakten geschaffen.

Vor ein paar Jahren hatte mir mal jemand im Zug von Budapest nach Berlin von Transnistrien erzählt, war total interessant ich hätte aber nie gedacht, dort mal vorbei zu kommen. Wo wir aber nun aber schon mal vor der Tür standen, haben wir uns heute Morgen Richtung Tiraspol aufgemacht, der „Hauptstadt“ Transnistriens. Wir wussten nicht so recht, was uns erwarten würde, aber als wir an ein Zollhäuschen kamen und zwei moldawischen Polizisten unsere Pässe zeigen mussten, war klar, dass das mit der „Landesgrenze“ ernst gemeint war.

Und das war erst der Anfang, denn hinter der nächsten Kurve war die Straße mit Krähenfüßen versperrt und unsere Pässe wurden von zwei transnistrischen Uniformierten gecheckt. Einer von ihnen hatte gesehen, dass ich aus dem Auto heraus fotografiert hatte. Das gefiel ihm gar nicht und ich musste das Foto vor seinen Augen löschen.

Doch das waren alles erst Vorposten, hinter der nächsten Kurve erreichten wir die tatsächliche Grenze. Man sprach dort nur noch russisch, aber mit etwas dämlich gucken und „Turisti, Turisti!“ konnten wir ganz gut verständlich machen, dass wir keine Ahnung hatten, wie die Einreise funktionierte. Man schicke uns zuerst zu einem Kabuff, an dem ein Typ in Militäruniform unsere Pässe kopierte und einige Fragen auf Russisch stellte, die wir allerdings nur mit einem Achselzucken beantworten konnten. Auf seiner Brust waren die kyrillischen Buchstaben „KGB“ zu lesen und mit „Turisti, Turisti!“ kamen wir auch hier ganz gut durch.

Dann wurden wir aufgefordert, das Schnauferle etwas beiseite zu fahren und mit ins Grenzgebäude zu kommen. Johannes sollte mit einem weiteren uniformierten Typen alleine in einem Büro bleiben, ich mich währenddessen in eine Schlange stellen. Als ich an der Reihe war, drückte man mir ein Formular in die Hand, das ich ausfüllen sollte. Nach weiteren unbeantwortbaren russischen Fragen bekam tatsächlich die Immigrationskarte, die es erlaubte, für 24 Stunden in Transnistrien zu bleiben.

Ich ging zurück zu dem Büro, in dem Johannes mit dem Uniformierten verschwunden war und fragte mich, ob er nun geteert und gefedert an der Decke hängen würde. Tat er aber nicht, sondern er musste dort die Einfuhrerlaubnis für das Schnauferle organisieren. Das war ein noch komplizierteres Unterfangen als die Erlangung des Immigrationsscheins, denn ich sah, wie er ein sehr längliches Pamphlet ausfüllte. Es dauerte, dauerte und dauerte, kostete 15 Euro und irgendwann gab man ihm endlich ein sehr amtlich aussehendes Dokument in die Hand, das es erlaubte, mit dem Schnauferle über die Grenze zu fahren. Danach blühte Johannes noch mal das Prozedere, das ich bereits hinter mich gebracht hatte, um die Immigrationserlaubnis für sich selbst zu erhalten. Als das geschafft war, konnten wir nach 90 langen Minuten endlich die „Grenze“ überqueren.

Und nun waren wir drin in dem Land, das es eigentlich nicht gibt. Die Grenzüberquerung war ein echtes Abenteuer, so muss es sich früher ungefähr angefühlt haben, aus der BRD in die DDR einzureisen, nie so genau wissend, was an der Grenze passieren würde. Wir erreichten bald Tiraspol, schauten staunend aus dem Fenster und dachten nur: Surreal. Die Außenbezirke sind mit uralten Industrieanlagen umsäumt, die nach verfallener Sowjetunion aussehen, aber zum Teil noch in Betrieb zu sein scheinen. Das Stadtzentrum strotzt vor altkommunistischer Symbolik, im Zentrum ist ein Denkmal mit den Gräbern der im Bürgerkrieg gefallenen Soldaten errichtet, wo Transnistrien seinen Heldenmythos pflegt. Und vor dem Parlament ragt eine übergroße Lenin-Statue in den Himmel empor. Als ich ein Foto machen wollte, wurde ich wieder von Soldaten zurecht gewiesen, denn das war anscheinend auch verboten. Habe aber trotzdem unbemerkt eins hingekriegt.

Mit der Grenzüberquerung waren unsere Herausforderungen des Tages aber noch nicht beendet. Um länger als 24 Stunden im „Land“ bleiben zu dürfen, muss man sich in Tiraspol in einem weiteren Büro registrieren. Es dauerte eine Ewigkeit, dieses zu finden, denn niemand sprach Englisch und besonders hilfsbereit schienen die Transnistrier auch nicht zu sein. Man schickte uns in verschiedene Richtungen, wir irrten ewig umher und als wir das Büro endlich fanden, war es schon zu spät und man sagte uns, wir sollten morgen wieder kommen.

Die nächste Herausforderung war die Geldbeschaffung. Was wir nicht gewusst hatten: Transnistrien hat eine eigene Währung, den Transnistrischen Rubel. Der ist nur eingeschränkt konvertierbar, so dass wir dafür mit unseren Kreditkarten nichts anfangen konnten. Zum Glück fanden wir einen Geldautomaten, der auch Dollars ausspuckte, die wir dann in einer Wechselstube in transnistrische Rubel tauschen konnten.

Inzwischen war es Abend, wir hatten einen Stellplatz für das Schnauferle in einer Seitenstraße gefunden und konnten nun endlich ein wenig entspannen. Johannes legte sich ans Flussufer des Dniestr, wo bei über 30 Grad die Hölle los war, ich steunte ein wenig durch die Innenstadt und ließ Lenin und transnistrischen Nationalkult auf mich wirken.

Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, kann mich einfach nur umschauen und alles anstarren. Die transnistrische Flagge auf dem Parlamentsgebäude, das Partyschiff auf dem Dniestr, das mit lauter russischer Musik auf und ab fährt, die Väter, die ihre Kinder in ferngesteuerte Buggys setzen und damit durch den Park kutschieren, die Verkäuferinnen, die einen anschnauzen, wenn sie merken, dass man kein russisch spricht. Alles ist eigenartig, ziemlich befremdlich und deshalb richtig interessant.

Gleich wird es dunkel, wir werden uns wohl einen ruhigen Abend machen und bald ins Schnauferle verkriechen.