Mit dem Navimag-Boot durch Chile



 

Bin inzwischen mitten in Chile und hab 2200 km Schiffsfahrt hinter mir. Am 28.02. sind wir von El Calafate/Argentinien mit dem Bus nach Puerto Natales/Chile gefahren. Von dort aus startete unser Trip mit dem Navimag-Schiff, 4 Tage durch das Inselgebiet nach Norden.

Paul, Laura, Brian, Alex und Felix, Abfahrt mit dem Navimag-SchiffInselnAuf dem WasserFelix und LucyDorf ohne StraßenanbindungSonne auf dem DeckPaul und Monologue-ManSonnenuntergang

Im Hafen haben wir zwei deutsche Mädels getroffen, Alex und Laura, die Brian bereits aus Buenos Aires kannte. Ich war mir nicht ganz schlüssig, was ich von ihnen halten sollte. Einerseits waren sie ganz schnucklig, andererseits jede auf ihre Art irgendwie anstrengend. Alex hatte permanent irgendwas zu nörgeln und war mit sich und der Welt grundsätzlich latent unzufrieden. Außerdem brauchte sie immer jemanden, der ihr sagte, wo es lang geht. Diesen Part hat wiederum Laura übernommen, sie liebte es, hier und da ein paar Anweisungen geben zu können. Die beiden waren sozusagen ein perfekt eingespieltes Team, mit dem ich aber nicht allzu viel anfangen konnte, schnucklig hin, schnucklig her.

Ich hab mich deshalb aus Gruppenaktivitäten etwas rausgehalten und lieber Lucy kennen gelernt, eine Chilenin, die alleine unterwegs war. Sie hat mir zwar innerhalb der ersten Stunde dreimal gesagt, dass sie einen Freund hat, war aber supernett und konnte kein Wort englisch, war also perfekt zum spanisch lernen für mich.

Der Hit an Bord war aber ein allein reisender älterer amerikanischer Herr mit ergrautem Haar, der sich dadurch auszeichnete, dass er ununterbrochen redete. Mich hatte er in Puerto Natales beim Schiffs-Checkin zum ersten Mal zugetextet, da kam er mir schon etwas seltsam vor. Auf dem Schiff stellte sich heraus, dass er fast jeden schonmal abgefangen und vollgequatscht hatte, vorzugsweise stundelang, ohne sein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen. Er wusste zu allem etwas zu sagen, einem Schweizer erklärte er die Schweiz detailliert. Als dieser dann schnippisch fragte, ob er auch was zum Kometeneinschlag in Sibirien von 1905 sagen könnte, legte er tatsächlich los, darüber zu schwadronieren.

Es war interessant, ihn zu beobachten. Wenn er keinen Gesprächspartner hatte, ging er auf die Jagd. Vorzugsweise „erlegte“ er seine Opfer in Situationen, in denen sie kaum Gegenwehr leisten oder die Flucht ergreifen konnten, z.B. beim Zähne putzen, in Raumecken oder beim Essen. Wir tauften ihn passenderweise Monologue-Man. 

Uns traf es einmal an der großen Landkarte an der Wand: Brian, Paul und ich standen dort und schauten die Strecke an. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Monologue-Man sich von hinten heranpirschte. Ich konnte nur noch einen Warnruf ausstoßen und nach Backbord abdrehen, aber für Brian und Paul war es aber schon zu spät, Monologue-Man begann über die Route zu schwadronieren. Und was tat Paul? Er zog sich unauffällig zurück und ließ Brian allein zurück. Der musste sich nun 30 Minuten lang Geschichten von Antarktika bis Meeresbiologie anhören, kam selbst nicht einmal zu Wort und verschwand schließlich unter einem Vorwand.

Paul fand Gefallen an dem Spiel und bot mir 1000 Pesos, wenn ich an der Landkarte ein Gespräch mit Monologue-Man anfangen würde. Ich nahm an und hörte mir exakt die gleichen Geschichten wie Brian an. Monologue-Man wurde zu einer lustigen Freizeitbeschäftigung. Nach und nach musste jeder mal ran. Am letzten Tag schafften wir das unvorstellbare. Mit vereinten Kräften führten wir zu viert eine Diskussion mit ihm und nach zwei Stunden geschah etwas, woran keiner mehr geglaubt hatte: Monologue-Man gab sich geschlagen, beendete das Gespräch und zog von dannen. Das gab es noch nie!

Heute kamen wir in Puerto Montt an, haben uns ein kleines Guest-House gesucht und dort für eine Nacht eingecheckt.

Gletscher Perito Moreno



 

Bin gestern Abend noch mit Flor, dem Mädel aus dem Club, essen gegangen. Sie hat mir ein nettes Restaurant gezeigt, das nicht voller Touris und Gringos war, schöner chilliger Ort, bisschen esoterisch angehaucht. Hab ’ne mit Fleisch gefüllte und Käse überbackene Kürbishälfte gegessen, sehr spacige Kost, muss das unbedingt mal bei Damenbesuch ausprobieren. :)

Heute ging´s zum Perito Moreno Gletscher im Nationalpark Los Glaciares. Der Nationalpark ist nach Antarktika und Grönland das drittgrößte Süßwasserreservat der Erde. Perito Moreno ist der spektakulärste Gletscher dort, weil man gefahrlos sehr weit herankommt. Er schiebt sich 15 km den Berg hinunter und endet als schroffe Eiswand im See Argentino.

60-Meter-Gletscherwand und SchiffGletscherwand frontalFelix mit GletscherGletscher und Berg

Die Eiswand ragt blau schimmernd 60 Meter aus dem Wasser, unter der Oberfläche geht sie 200 Meter in die Tiefe. Der Gletscher schiebt sich pro Tag zwei Meter vorwärts, was dazu führt, das alle paar Stunden hochhausgroße Eisbrocken spektakulär abgesprengt werden und ins Wasser fallen. Von einer Halbinsel aus kann man das Schauspiel aus ca. 300 Metern Entfernung beobachten.

Haben zwei unglaubliche Momente gesehen: Einmal wurde unter Wasser ein ca. 50 mal 50 Meter großes Stück abgesprengt, das sich mit lautem Tosen an die Oberfläche schob, plötzlich wie das Monster von Loch Ness aus dem Wasser erhob und dicke Wellen in alle Richtungen schlug. In letzter Minute bevor unser Bus fuhr erlebten wir noch das perfekte Finish: Eine dicke Scheibe, so hoch wie die gesamte Eiswand, brach weg, kippte nach vorne um und schlug mit einem lauten Klatschen im See ein.

Morgen früh geht’s mit dem Bus weiter nach Puerto Natales Chile. Von dort aus fahren wir mit dem Schiff vier Tage lang Richtung Norden nach Puerto Montt.

Kollektives Massenkotzen



 

Mann Mann Mann, kann ich nur sagen. Bin nun in Colonia in Uruguay angekommen, aber wie! Um dort hinzukommen, muss man mit dem Boot über den Rio del Plata fahren. Buenos Aires liegt am Delta des Flusses, deswegen sind es ca. 50 km. Bin zusammen mit Melissa aus meinem Hostel losgezogen, einer Kanadierin, die ich da kennen gelernt hatte.

Die Bootsfahrt dauert normalerweise 50 Minuten, kein großes Ding also, haben wir uns gedacht. Dann kam aber ein ordentlicher Sturm auf und wir wurden gut durchgeschüttelt. Bei jeder Welle war es original das Gefühl von Achterbahnfahren im Magen, hab sowas noch nie erlebt. Die Crew war professionell ausgestattet und stand mit Kotzbeuteln bereit. Anfangs musste ich da schon etwas schmunzeln, aber spätestens als Melissa neben mir anfang, ihren Kotzbeutel zu befüllen blieb mir das Lachen im Halse stecken.

Auf dem Boot waren ca. 100 Leute und nach und nach begannen alle grün anzulaufen und ihr Abendessen wieder hervorzuholen. Die Crew ging mit großen Müllsäcken herum, mit denen sie die befüllten Kotzbeutel wieder einsammelte, ein seltsam süßlicher Geruch zog sich durch die Reihen. Der Typ, der rechts neben mir saß und gerade noch süffisant geschmunzelt hatte griff nach einem dieser großen Müllsäcke und entleerte sich direkt dort hinein.

Ich bin noch nie in meinem Leben seekrank geworden, aber langsam drehte sich mir auch der Magen um. Ich hatte den Kotzbeutel schon im Anschlag, aber konnte mich noch zusammen reißen. Um mich herum kotzten sich aber ungelogen 90% die Seele aus dem Leib. Irgendwann waren alle Kotzbeutel verbraucht, also mussten die vorhandenen bis zur vollständigen Füllung ausgenutzt werden. Als schließlich sogar die Crew in der Ecke stand und in ihre eigenen Müllsäcke kotzte, kam ich mir echt vor wie in einem schlechten Horrorfilm. Hab überlegt, ein Filmchen zu drehen und hier zu posten, weil mir das sonst keiner glaubt. Das kam mir dann allerdings leicht taktlos vor, also hab ich’s gelassen

Die Fahrt wollte und wollte nicht enden, nach 1 1/2 Stunden war immer noch kein Land in Sicht und ich versuchte krampfhaft an Palmen und Strand zu denken und alles andere zu verdrängen. Hat letzten Endes auch funktioniert. Nach 2 Stunden kamen wir endlich an und ich hatte meinen Mageninhalt immer noch bei mir, ja sogar in mir.

Melissa war allerdings halb tot. Ich hab mich um sie gekümmert und bin zusammen mit ihr in ein Hostel gefahren. Sind dann noch bisschen was essen gegangen, dann ging’s ihr langsam wieder besser. Zurück nach Buenos Aires will sie für Unmengen an Geld fliegen, um nie wieder auf dieses Boot zu müssen. Kann ich auf jeden Fall verstehen, ich werd mir den Spaß aber schon nochmal geben. :)

Heute geht’s uns beiden wieder gut, werden uns gleich ein Fahrrad mieten und Colonia bisschen erkunden.