Dschungeltrekk zur Ciudad Perdida – Tag 4



 

Heute Morgen um 6 Uhr ging es wieder los. Letzter Tag, raus aus dem Dschungel, nochmal 6 Stunden Fußmarsch. Ich desinfizierte meine aufgeschundenen Füße und klebte die Wunden mit Pflastern ab, so gut ich konnte. Um meine Fußgelenke wickelte ich Klopapier und bildete mir ein, so einen gewissen Polstereffekt zu erreichen. Ich musste feststellen, dass auch die besten Wanderschuhe nach solchen Strapazen ihre Spuren hinterließen. Ich knallte mir eine Schmerztablette rein, dann ging’s ab.

Die ersten Schritte waren die Hölle, das Knie meldete sich zwar noch nicht zu Wort, aber die geschwollenen Fußgelenke schmerzten wie Hölle. Johannes lief hinter mir und meinte, ich sähe aus wie ein Leprakranker in seinen letzten Tagen. Diesmal bekam er wirklich meinen Stock ab, ich war noch nicht in der Stimmung für Scherze.

Die ersten drei Stunden ging es fast nur bergauf. Mir hing zwar die Zunge am Boden, aber ansonsten ging es mir erstaunlich gut. Meine Füße hatten inzwischen einen gewissen Taubheitsgrad erreicht, der das Laufen weniger schmerzhaft machte und mein Knie verkraftete das Bergauflaufen auch recht gut. Ich hatte echt gute Laune und schnackte mit allen ganz lustig rum. Eine verpeilte Australierin namens Tess gefiel mir ganz gut und ich versuchte immer mal wieder in ihre Nähe zu kommen. Leider war sie in doppelter Geschwindigkeit wie ich unterwegs, so dass ich schnell den Anschluss verlor.

Nach der Hälfte der Strecke legten wir eine Pause ein, wir konnten in einem natürlichen „Schwimmbad“ im Fluss planschen und von Felsen springen. Ich verzichtete allerdings, weil ich auf keinen Fall meine Schuh-Pflaster-Klopapier-Konstruktion anrühren wollte. Ich gönnte mir ein Bierchen und chillte bisschen rum.

Ich glaubte schon fast, knietechnisch das Schlimmste überstanden zu haben, wurde aber auf der nächsten Downhill-Passage eines besseren belehrt. Nun tat es so weh, dass ich mein linkes Bein bergab nicht mehr knicken konnte. Ich entwickelte eine Technik, wie ich trotzdem die Berge runterkam. Den linken Fuß nach innen eindrehen und das Bein steif lassen, mit dem rechten Bein das gesamte Gewicht abfangen. Das verursachte weniger Schmerzen, war aber dafür superanstrend und brachte den gesamten Druck meines Körpergewichts aufs rechte Knie.

Ich war so schon eine kleine Attraktion, Johannes, Lauren und Steven amüsierten sich jedenfalls köstlich und meinten, ich würde laufen wie ein Zombie aus „Dawn of the Dead“. Es war so grotesk, dass ich auch ganz gut darüber lachen konnte, wie ich so mit meinem Stock und einem Steifen Bein in komischer Schräglage den Hang runter humpelte. Ich machte ein paar Zombie-Geräusche und hätte so wahrscheinlich sofort eine Rolle in einem Horrorfilm bekommen. :)

Irgendwann erreichten wir den letzten, großen Abstieg. Ich wusste, dass wir auf dem Hinweg ewig auf diesem Berg hinaufgeklettert waren und versuchte mich daran zu erinnern, wie lange das wohl gedauert hatte. Jeder Schritt bergab war nun eine Qual, aber was half es, ich musste einfach noch diesen letzten, großen Berg hinunter. Halb flehend fragte ich Steven: „So lange war der Weg doch nicht beim Aufstieg, oder?“ Er wollte wohl etwas gute Stimmung verbreiten und meinte, es würde bestimmt so 20 Minuten dauern.

Aus den 20 Minuten wurde eine Stunde. Ich war ziemlich langsam, so dass Johannes, Lauren und Steven schon vorgingen. Ich sprach kein Wort mehr, dachte nur noch bis zur nächsten Kurve und konnte doch sehen, dass die Talsohle noch meilenweit entfernt war.

Mit letzer Kraft erreichte ich dann den Fluß im Tal, noch einmal von Stein zu Stein springen auf die andere Seite, dann konnte das Camp, an dem wir abgeholt würden, nicht mehr weit sein. Es ging nun nur noch geradeaus auf einem recht ebenen Weg, aber ich konnte einfach fast nicht mehr und schleppte mich auf meinen Stock gestützt Meter um Meter weiter. Mir kamen frisch aussehende Neuankömmlinge entgegen, die ihren Trekk gerade starteten. Als sie mich sahen, sah ich einen gewissen Schrecken in ihren Gesichtern aufblitzen, sicher fragten sie sich, ob sie nicht doch lieber wieder umkehren sollten. :)

Nach einer weiteren halben Stunde erreichte ich endlich das rettende Camp. Bevor ich irgendetwas tat kaufte ich mir sofort ein Bier. Ich fiel auf die Bank, nahm einen tiefen Schluck, begrüßte die anderen und war glücklich. Ich hatte es geschafft, raus aus der grünen Hölle! Es gab ein superleckeres Essen, noch mehr Bier und eine dicke Portion Erleichterung. An unserem Nachbartisch saßen ein paar Neuankömmlinge in stahlend weißen Shirts, die gerade ihr letztes Mal vor dem Start verabreicht bekamen. Vor drei Tagen saßen wir genauso da, dachte ich, nicht ahnend, was wir vor uns hatten. Selbst Rambo Johannes hatte inzwischen einige Blessuren und war nun doch einigermaßen am Ende.

Schließlich traf der Jeep ein, der uns zurück nach Taganga bringen sollte. Wir verabschiedeten uns von Juan Carlos und fuhren los. Der Geruch im Jeep glich dem in einer Jauchegrube, unsere Shirts waren klatschnass von 4 Tagen Regen, Schweiß und Schlamm, aber unsere Nasen hatten sich inzwischen ziemlich gut daran gewöhnt.

Zurück in Taganga haben wir nochmal für 2 Tage in unserer alten Bleibe Casa Divanga eingecheckt, richtig schön geduscht und dann ungläubig darüber philosophiert, was wir in den letzten Tagen vollbracht haben. Für mich war das auf jeden Fall eine Grenzerfahrung, unter Schmerzen diese körperliche Anstrengung auf mich zu nehmen und einfach immer weiter, weiter und weiter zu laufen.

Und trotz dieser Qualen war es gut, richtig super sogar. Vor 4 Tagen, als ich einfach nur im Party- und Chilloutmodus war, hätte ich mir nicht vorstellen können, jetzt mit dieser Erfahrung hier zu sitzen. Es ist ein bisschen wie damals beim Besteigen des 6088 Meter hohen Huayna Potosi, der Spaß geht eigentlich erst dann los, wenn man es geschafft hat.

Auf jeden Fall haben wir uns nun Party, Strand und Chillout so richtig verdient. Gleich heute Abend geht’s los, wir treffen uns mit unseren Trekking-Kollegen, gehen ein dickes Steak essen und danach gibt’s Party!

2 thoughts on “Dschungeltrekk zur Ciudad Perdida – Tag 4”

  1. Hio Felix, das muss sowas wie Telepathie sein, denn am Dienstagabend habe ich mir beim Fußball das Knie verdreht und mich seitdem auch ordentlich gequält. Laufen geht nur noch mit Krücken und ich bin immer letzter. Kreuzband- oder Meniskusverletzung oder beides, natürlich mit Punktierung und kommenden OPs all inclusive. Bei dir tippe ich auf Meniskus (quasi der Stoßdämpfer im Knie). SO ist das, wenn sich untrainierte „alte“ Knacker selbst überschätzen. Ich hoffe, dass sich bei dir wieder alles einrenken wird. Und der Rambo, hats natürlich richtig gemacht, knallharte jahrelange Vorbereitung in der Brandenburger Heide. So gehts.
    Beste Grüße an Euch beide und belohnt euch ausgiebig
    Müscha

  2. Moin Felix,

    nachdem Isa mir am WE bei Elisas und Maiks Hochzeit von deinem Blog erzählt hat, musste ich mir das unbedingt mal geben. Unglaublich, hab mir gerade das ganze Ding gegeben, und mit jedem weiteren Eintrag, wächst in mir das Fernweh. Überfall, Grenzerfahrung an Staats- und körperlichen Grenzen, deine Suche nach ner netten Dame für Stunden zu zweit ^^… genial.

    Deine Schmerzen erinnern mich an eine gewisse Fahrradtour vor zwei Jahren im Hunsrück, als ich mich die letzten 5km von nem Auto mitnehmen lassen musste, weil meine Beine keinen cm mehr weiter wollten.

    Viel Spaß euch noch. Ich freu mich auf weitere Geschichten :-). Grüß Rambo, eh Jojo!

    Thommy

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