Managua – Zweimal überfallen in einer Nacht

Meine erste Nacht in Managua verlief übel. Ich wurde zweimal überfallen und das war alles andere als ein Spaß.



 

Ich habe nur wenige Leute getroffen, die etwas Gutes über Managua zu sagen haben. Laut, gefährlich, hässlich, so wird die Stadt gerne beschrieben und die meisten Traveller versuchen, so schnell wie möglich wieder raus zu kommen. Ich wollte mir aber das Nachtleben und die Nicas mal ein wenig näher anschauen und so beschloss ich, mich für eine Woche in Managua einzuquartieren.

Managua – Nicht schön aber auch nicht ganz abstoßend

Der erste Eindruck war dann auch gar nicht so furchtbar. Sicher, es gibt kaum Sehenswürdigkeiten und die entspanntesten Plätze, um sich aufzuhalten, sind Shopping Malls. Aber der abstoßende Moloch, als der die Stadt oft beschrieben wird, ist es meiner Meinung nach auch nicht.

Blick über Managua
Blick über Managua
Zentrum von Managua
Zentrum von Managua

In Granada hatte ich ein Mädel namens Jaqueline kennen gelernt, die in der Nähe von Managua wohnt. Ich traf mich abends ein Stündchen mit ihr, dann wollte ich feiern gehen. Sie wollte nicht mit, also zog ich alleine los in die Disco Chaman.

Eine Warnung

Ich lernte gleich einen Trupp Mädels kennen und tanzte ganz lustig mit denen rum. Wir tranken das ein oder andere Bierchen, für einen Euro pro Flasche läuft das recht gut runter. Leider wollten sie ziemlich früh nach Hause, ich aber noch nicht. Zum Abschied warnten sie mich noch, dass ich aufpassen sollte, nicht an üble Mädels zu geraten, die sich angeblich in den Managuaer Discos herumtreiben würden.

Ich sagte jaja, verabschiedete mich und blieb im Chaman. Irgendwann lernte ich einen anderen Mädels-Trupp kennen, unter denen eine hübsche Brasilianerin war, die in Managua wohnte. Nach dem ein oder anderen Bierchen fragte sie mich, ob ich mit zu ihr kommen wollte. Das hörte sich gut an, inzwischen war es 3 Uhr nachts und wir düsten zusammen mit ihren Freundinnen im Taxi durch die Nacht.

Irgendwann stiegen wir aus, liefen ein Stück die Straße hinunter und bogen dann ab. Ich fragte, wo ihr Haus sei. Die anderen Mädels waren auf einmal nicht mehr da und auch sonst kein Mensch weit und breit. Sie meinte, wir müssten noch ein Stück die Straße runter. Sie sagte in Brasilien würde man nachts auf der Straße umgebracht, aber Managua sei nicht so gefährlich. Aber warum gingen wir überhaupt zu Fuß und hatten nicht mit dem Taxi direkt vor der Tür gehalten?

Verfolgt

Als ich mich umdrehte, sah ich auf einmal einen Typen, der schnell auf mich zukam. In seiner Hand blitzte ein Messer. Ohne zu zögern rannte ich los, so schnell ich konnte. Der Typ heftete sich an meine Fersen. Ich hatte zwar ordentlich getankt, war aber auf einmal hellwach. Ich bog in die nächste Seitenstraße und rannte weiter. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Typ dicht hinter mir war und aus dem Lauf heraus versuchte, mit dem Messer meinen Rücken zu erwischen.

Da wusste ich, dass er es ernst meinte und keine Skrupel hatte. Und mir wurde klar, dass ich ihm nicht entkommen würde. Mitten in der Nacht in einem menschenleeren Viertel, das ich nicht kannte, keine Chance. Mir schien die Wahrscheinlichkeit am höchsten, unverletzt aus der Geschichte rauszukommen, wenn ich anhalten und ihm einfach mein Geld geben würde. Ich hob die Hände, blieb stehen und sagte, dass er alles haben könnte. Er griff mich zum Glück nicht an, nahm mir mein Portmonnaie ab und verlangte nach meinem Handy. Ich zog es aus meiner Tasche, er riss es mir aus der Hand und rannte davon.

Das Herz schlug mir bis zum Hals, aber ich war froh unverletzt zu sein. Von der Brasilianerin war nichts mehr zu sehen, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich dorthin gelockt und der Typ mir dort aufgelauert hatte. In meiner Hose hatte ich noch ein geheimes Portemonnaie, das er nicht gefunden hatte. Doch mir wurde auf einmal klar, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich überhaupt war und wie ich von dort weg kommen sollte.

Da sah ich ein paar Leute auf einem Balkon eines Hauses sitzen, sie mussten den Überfall mitbekommen haben. Ich rief hoch, dass ich ausgeraubt worden sei und ob sie mir ein Taxi rufen könnten. Sie riefen zurück, dass ich dafür was springen lassen müsste. In meinem Geheimportemonnaie hatte ich nur 500 Cordoba Scheine (16 Euro), die waren mir für ein Trinkgeld eigentlich zu groß.

Während ich überlegte, was ich wohl machen sollte, sah ich, dass zwei Typen auf einem Fahrrad langsam die Straße runter in meine Richtung gefahren kamen. Nach dem Erlebnis kurz zuvor war ich immer noch voll auf Alarm eingestellt. Ich drückte mich gegen das Tor des Hauses, und tat so, als ob ich gerade aufschließen würde. Die Typen fuhren an mir vorbei. Puh, Glück gehabt.

Zweiter Überfall

Doch die Erleichterung währte nur wenige Sekunden. An der nächsten Ecke drehten sie um, kamen auf mich zu und einer zog ein Messer. Reflexartig rannte ich wieder los, der Typ mit dem Messer hinter mir her. Nach ein paar Metern gab ich auf. Verzweifelt erklärte ich, dass es gerade schon ausgeraubt wurde, aber noch Geld hätte und sie es haben könnten. Ich zog mein Geheimportemonnaie raus und gab ihnen alles, es waren ca. 2000 Cordoba (64 Euro). Die Typen durchsuchten noch meine anderen Taschen, fanden nichts und zischten schließlich ab.

Auf einmal wurde mir die Dramatik meiner Lage völlig bewusst: Ich stand nachts allein in Managua auf der Straße in irgendeinem Viertel, in dem offensichtlich im Minutentakt Überfälle stattfinden und hatte keinen einzigen Cent mehr. Den nächsten Typen, der mit gezogenem Messer vor mir stehen würde, könnte ich nicht mehr mit Geld oder Wertsachen milde stimmen.

Ich rannte zurück zu dem Haus mit dem Balkon. Ich rief den Leuten verzweifelt zu, dass die mich reinlassen müssten, ich könnte sie später dafür bezahlen. Jemand von ihnen sagte sie würden mir helfen, ich sollte mir keine Sorgen machen, aber nichts geschah. Ich rechnete damit, dass jede Sekunde der nächste Typ mit Messer um die Ecke kommen würde und fing in meiner Verzweiflung an, den stacheldrahtgesicherten Zaun hochzuklettern. Erst als jemand sagte, ich sollte doch einfach durchs Tor gehen, merkte ich, dass schon längst jemand neben mir geöffnet hatte.

Helfer in der Not

Die Leute waren dann supernett zu mir. Ich war völlig durch den Wind und wollte auf keinen Fall mehr auf die Straße in dieser Nacht. Ich fragte, ob ich irgendwo bei ihnen auf dem Boden schlafen könnte. Sie versuchten mich zu beruhigen und sagten, sie würden einen vertrauenswürdigen Taxifahrer kennen, den sie anrufen könnten. Darauf ließ ich mich schließlich ein, das Taxi fuhr mich zum Hotel, ich holte meine Kreditkarte, wir fuhren zum nächsten Geldautomaten und ich konnte den Fahrer bezahlen.

In den nächsten Tagen spukte mir immer wieder dieses Bild im Kopf herum, wie der Typ knapp hinter mir versuchte mit dem Messer meinen Rücken zu erwischen. Wenn er ein Stück näher gewesen wäre, wer weiß, wie diese Geschichte dann ausgegangen wäre. Auf jeden Fall war es nicht die geschickteste Idee, mitten in der Nacht in Managua mit jemandem mitzugehen, den ich erst seit einer Stunde kannte. Normalerweise passe ich mich der Sicherheitssituation eines Landes immer ganz gut an, aber wenn Frauen und Bier im Spiel sind, brennt wohl manchmal die Sicherung durch.

Zwei Tage später hat mich Jaqueline eingeladen, ihre Familie in ihrem Garten im eine halbe Stunde entfernten Ciudad Sandino zu besuchen. Ich hatte mir irgendwie einen schicken Vorort vorgestellt, doch als mich der Taxifahrer dorthin fuhr, wurde er nicht müde, mir zu erzählen, dass das ein gefährliches Barrio wäre und was ich da überhaupt wollte. Ich sagte, dass ich Jaqueline treffen würde. Er fragte, wie lange ich sie kennen würde und meinte, er fände das alles suspekt und gefährlich. Ciudad Sandino sah dann wirklich ziemlich heruntergekommen aus und tatsächlich hatte ich Jaqueline noch nicht viel länger als eine Stunde gesehen.

Der Malecon in Managua
Der Malecon in Managua

Mir wurde das auch alles zu suspekt und ich ließ mich zurück ins Hotel fahren. Dort bekam ich auf einmal ein schlechtes Gewissen. Wenn ich wegen einem schlechten Erlebnis in Zukunft Angst vor jedem Einheimischen haben würde, wäre das Reisen nicht mehr das, was es einmal war und das wollte ich auf keinen Fall. Ich rief den gleichen Taxifahrer wieder an und ließ mich ein zweites Mal nach Ciudad Sandino fahren. Der dachte sicher, ich hätte nicht mehr alle Latten am Zaun. Als ich ihn den Treffpunkt sagte, wo Jaqueline mich treffen wollte, Busterminal 115, schlug er die Hände überm Kopf zusammen. Das sei eine besonders gefährliche Ecke und er verstünde nicht, warum ich dieses Risiko eingehen würde.

Dodgy Viertel

Als er mich dort raus ließ, schlotterten mir wirklich etwas die Knie. Jaqueline holte mich ab und wir liefen eine schmuddelige Straße zwischen Wellblechhütten hinunter. Alle starrten mich an, hier hatte wohl seit langem kein Gringo mehr seinen Fuß reingesetzt. Besoffene torkelten herum, doch als wir nach einem Kilometer schließlich im Garten der Familie ankamen, wusste ich, dass ich alles richtig gemacht hatte. Die Oma und die Mutter von Jaqueline waren supernett zu mir und es wurde ein richtig schöner Nachmittag. Abends fuhr mich ein Bekannter der Familie auf seinem Motorrad zurück nach Managua und alles war gut.

Alex, einer meiner Retter, auf seinem Balkon
Alex, einer meiner Retter, auf seinem Balkon

Zwei Tage später fuhr ich nochmal bei meinen Rettern vom Balkon vorbei und brachte ihnen eine große Flasche Rum und Futterei. Sie waren auf jeden Fall die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nachdem ich so ziemlich zur falschen Zeit am falschen Ort war.

17 thoughts on “Managua – Zweimal überfallen in einer Nacht”

  1. Ich hab gerade diesen Artikel entdeckt und ehrlich gesagt irgendwie beim Lesen gedacht, du seist eine Frau. Ich dachte mir die ganze Zeit nur „UM HIMMELS WILLEN! IST DIE IRRE??? Sie kann doch nicht fremd alleine weggehen, trinken und dann mit fremden Leuten mitziehen?? Das ist ja Wahnsinn!“
    Dann dachte ich mir irgendwann: Die Frau hatte verdammtes Glück, nicht vergewaltigt worden zu sein. Eigentlich ist es ein Wunder.

    Dann schnallte ich, dass Du ein Mann bist. Und jetzt frage ich mich: Wenn mir das von Anfang an klar gewesen wäre, hätte ich dann auch so in Gedanken reagiert? Für einen Mann gelten solche Sachen noch lange nicht als so leichtsinnig, wie für eine Frau. Obwohl sie es natürlich eigentlich genauso sind…

    Du schreibst: „Auf jeden Fall war es nicht die geschickteste Idee, mitten in der Nacht in Managua mit jemandem mitzugehen, den ich erst seit einer Stunde kannte. Normalerweise passe ich mich der Sicherheitssituation eines Landes immer ganz gut an.“

    Für eine Frau gälte dies ganz klar auch in Deutschland. Die Sicherheitssituation ist in Deutschland ganz genau die gleiche: Betrink dich nicht alleine, bleib alleine nicht betrunken zurück, zieh nicht mit fremden Leuten los. Aber für Männer? Männer sind aus unserer Heimat wohl einfach die größere Freiheit gewohnt – und auf Reisen in gewissen Gegenden müssen sie dann diese Vorsicht schmerzhaft lernen, die Frauen von klein auf eingeimpft wird.
    Mein Gedankenchaos zum Tag.

    Gut, dass nichts Schlimmeres passiert ist jedenfalls.

  2. Mensch….sind froh, dass es Dir gut geht!
    Lisa & Johannes
    PS:
    Wenn ich nicht dabei bin, sei doch bitte vorsichtig :) :) :)
    J

  3. Hej Felice,
    Oh man, wat ne Story, erklärt warum meine Nachrichten nicht angekommen sind.
    Ich bin sehr froh dass dir nichts passiert ist!
    Schick mir mal deine Email Adresse bitte..
    Die Hassie

  4. Mensch Felix. Das kommt davon, wenn man denkt, man könne eben mal schnell ne Brasilianerin in Nicarauga abschleppen.

  5. Puuh, Felix! Man man man.. Das hätte echt auch anders ausgehen können. Du weißt doch: Safety First – auch im Rausch und unnawegs.

  6. Felix,

    nur allein das Lesen des Textes hat mein Herz mindestens so hoch schlagen lassen wie Deines. Man ey.
    Gut, dass Dir nichts passiert ist. Der dicke Olli hätte Dich da wahrscheinlich auch nicht raushauen können.
    Pass auf dich auf und bleib wohl auf!!!

  7. Mein alter Freund und Haudege Felix aus Klingenthaler-Familien-Zeiten!
    Du machst mal wieder sachen. Pass bloß auf Dich auf !!!
    Aber verstehe, Du siehst Dir die Welt einfach dort an wo sie sich direkt befindet. Wie vor einigen Jahren schon, wo Du ja z.B. auf der gefährlichsten Straße der Welt, in Bolivien oder so, entlang gefahren bist. Muss heute noch sagen, mutig mutig.
    Ist natürlich ein Abenteuer der Ultimative. Das verstehe ich schon. Nun ich wünsche Dir erstmal weiterhin viel Glück, Spaß, Erfahrungen, positive Erlebnisse, Abenteuer, und und und auf Deiner weiteren Südamerika-Reise. Und gib immer schön acht auf Dich!!! Im ernst!
    Grüße aus Deutschland, Europa 😜
    Julius

  8. Managua bezeichnen ja auch die Nicas selbst als unorganisierteste Hauptstadt der Welt, da in diesem Land auch die Armut gross ist und die Verteilung ungerecht sind Raubüberfälle wohl an der Tagesordnung.

    Bei meinem kurzen Aufenthalt wurde ich zwar nicht überfallen, aber dafür hat mich ein Taxifahrer für eine kurze Strecke von einem Busterminal zum nächsten ziemlich ausgenommen. Bei der Preisverhandlung im Voraus hat ihm zusätzlich der Busfahrer des öffentlichen Busses mit dem ich in Managua ankam geholfen und gemeint, das wäre wohl ein sehr günstiger Preis … Fazit für die ganze Strecke von der Insel Ometepe über Managua nach Leon habe ich das halbe Fahrtgeld für die Taxistrecke von 2km im Stadtbereich von Managua ausgegeben. Im Totalen wars dann aber dann doch eine günstige Reise…

  9. Genau das gleiche ist mir und meinem Kumpel heut auch passiert… Managua gerade dunkel geworden nachm Essen zum Hotel gelaufen. Auf einmal auf der Straße 7 Typen auf uns zu gerannt, hatte direkt ein Messer am Hals und mein Freund wurde zusammengeschlagen. Innerhalb von ein paar Sekunden Handy, Geldbeutel alles weg.

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