Finale Trauer



 

Mann, Mann, Mann, das hatte ich mir anders vorgestellt. Bin zum Fußball gucken in ’ne Kneipe gegangen, wo später auch der Deutsche Jonas vorbei kommen wollte. Erst füllte sich der Laden mit erschreckend vielen Spaniern, zum Anpfiff gab’s dann aber ’ne deutliche deutsche Übermacht.

Leider nur vor dem Bildschirm und nicht auf dem Platz. Die ersten 10 Minuten ließen mich hoffen, das sah doch ganz so wie gegen die Portugiesen aus, schönes Kombinationsspiel, Druck auf’s Tor. Doch dann ließen sich unsere Jungs das Spiel aus der Hand nehmen, kein Pass kam mehr an, die Abwehr schwamm noch schlimmer als sonst und es spielten nur noch die Spanier.

Beim 1:0 sahen weder Lahm, noch Lehmann gut aus. Lahm bremste ab, warum auch immer, und Lehmann kam viel zu spät aus dem Kasten. Entweder drin bleiben oder raus, aber erst abwarten und dann doch rennen, das geht einfach nicht! Seit der WM hat der Mann echt abgebaut, ich finde man merkt, dass er kein Stammspieler mehr bei Arsenal ist.

In der zweiten Halbzeit gab’s nochmal ein Fünkchen Hoffnung, als unsere Jungs 30 Minuten vor Schluss die Sturmoffensive starteten, auf die ich schon das ganze Spiel gewartet hab. Aber nach 10 Minuten war auch das vorbei und die Spanier hatten das 2, 3 oder sogar 4:0 auf dem Fuß und nur etwas Pech ihrerseits verhinderte, dass ein paar Dinger einschlugen.

Nicht mal für ’ne Alles-oder-nichts-Endphase hat’s gereicht. Die letzten 3 Minuten hätte doch der Lehmann mit nach vorne gemusst, um vielleicht noch den Ausgleich reinzuköpfen! Aber nichts, man wartete einfach auf den Abpfiff.

Danach waren die Spanier in der Kneipe trotz Unterzahl lautstärkemäßig ganz weit vorne. Ich hatte mir das ganze Spiel über schon gesagt: Wenn wir Europameister werden, werd ich mich auf jeden Fall besaufen. Und wenn wir’s nicht werden, dann werde ich mich auch besaufen!

Gesagt, getan, ich lernte zwei Kanadier kennen und leerte den einen oder anderen Bierkrug mit ihnen. Einer von ihnen behauptete, ich sei seinem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten. Er zeigte mir ein Foto, und ich konnte wirklich nicht leugnen, dass da eine gewisse Übereinstimmung vorhanden war. Nach und nach vergaß ich das Spiel und freute mich auf mein Date mit Marildy am Abend.

Auf dem Milch-Truck durch die Berge



 

Gestern Abend landeten wir alle an der Hostel-Bar. Die beiden Französinnen stellten sich aber als echte Partymuffel heraus, denn nach 20 Minuten meinten sie mal wieder, sie wollten ins Bett gehen. Meine Frage, ob das eine Einladung sei, verneinten sie leider. :( Antony, ich und der Quebecer hatten aber nichts gegen bisschen Gemütlichkeit, leerten ’ne Buddel Rum und schnackten stundenlang.

Heute Morgen hatten die Franzosen und ich den gleichen Weg bis nach Latacunga. Die beste Transportmöglichkeit ist der Milch-Truck, der jeden Morgen zwischen 9 und 10 Uhr vorbei kommt. Wir warteten ein Stündchen, dann kam er endlich. Es war ein Pick-up, auf dessen Ladefläche der Milchmann mit ’nem Fässchen stand, außerdem quetschten sich ca. 8 Leute dort. Es war kaum zu glauben, aber selbst wir passten noch drauf.

Ab auf den MilchtruckOma und EnkelinTalSchwein, am Haken und in der Pfanne

Antony und ich saßen jeweils auf einer Kante der Ladefläche und brauchten einige Übung, um auf der Huckelpiste nicht von Bord zu fliegen. Auf der Fahrt lernte ich schließlich, dass, egal wie voll der Pick-up war, immer noch einer mehr drauf passte. Irgendwann waren wir 14 Leute, einer stand auf der Stoßstange und schafft es irgendwie, nicht runterzufliegen.

Am Straßenrand standen überall wartende Quichua. Wer Kühe hatte, verkaufte seine Milch an den Milchmann, der wiederum belieferte damit alle, die keine hatten. Die Fahrt war trotz Quetschungen und extremer Staubigkeit ein richtiges Highlight für mich. Die Quitchua auf dem Truck waren eine Mischung aus schüchtern und neugierig, nach ’ner Weile schnackte ich mit einigen.

Irgendwann kam ’ne Oma mit ihrer 10jährigen Enkelin auf die Ladefläche und quetschte sich neben mich. Die beiden waren supersüß und kicherten und tuschelten die ganze Zeit. Ich hab auch ab und zu was zu ihnen gesagt, was meistens zu noch mehr Gekichere führte. Ich ließ mir von ihnen die Zahlen von 1 bis 5 auf Quichua beibringen, meine lustige Aussprache brachte schließlich den ganzen Truck zum Lachen. :)

Nach zwei Stunden kamen wir in einem Dorf namens Sigchos an, wo wir ’ne Stunde auf den Bus nach Latacunga warten mussten. Ich lief mit Manon, einer der beiden Französinnen, bisschen durch den Ort. Der war nicht besonders toll, aber ringsherum gab’s nochmal richtig schöne, grüne Täler.

Auf dem Weg zurück zum Bus-Terminal kamen wir an ’nem Imbiss vorbei, der ein totes, fettes Schwein an ’nem Haken baumeln hatte, das interessierte mich natürlich. Das Viech wurde vor ’ner halben Stunde geschlachtet, ließ ich mir sagen, und brutzelte teilweise schon in der Pfanne daneben. Manon kam mir mit irgend so ’ner komischen Tiermedizinerethik, dass es respektlos wäre, das tote Viech zu fotografieren. Ich ließ mich davon nicht beeindrucken und zollte der Sau lieber Respekt, indem ich mir ein Stück von ihr schmecken ließ. :)

Wir fuhren alle noch zusammen nach Latacunga, verabschiedeten uns schließlich und ich machte mich auf den Weg nach Quito. Im Bus schnackte ich noch schön mit ’ner 70jährigen Ecuadorianerin. Die südamerikanischen Omas haben irgendwie was spezielles, sie sehen zwar alt, aber nie wirklich verlebt aus, man kann das schwer beschreiben.

In Quito hab ich mir schließlich ein Hotelzimmer mit Kabelfernsehen genommen, da gibt’s die „Deutsche Welle“, perfekt, um sich auf das WM-Finale morgen einzustimmen. Morgen Mittag werd ich hoffentlich ’ne Kneipe mit genug Deutschen finden, um den Pokalgewinn orgentlich zu feiern. :) Aber mal im Ernst: So richtig optimistisch bin ich nicht. Die Spanier sind ein dicker Brocken. Mal sehn, vielleicht gibt’s ja ’ne Überraschung, gegen die Starken sind unsere Jungs ja immer so richtig aufgeblüht, sie sollen’s morgen einfach noch einmal machen.

Finale – oh, oh, naja…



 

Mann, Mann, Mann, wat ’ne Herausforderung, für mich und meine Nerven! Hab die erste Halbzeit vom Halbfinale in ’nem Restaurant mit Fernseher gesehn und war der einzige Gringo. Hab mich vor lauter Aufregung fast an meiner Forelle verschluckt! Die Türken bekamen vor lauter Ausfällen ja fast keine Mannschaft mehr zusammen und hätten eigentlich keinen Ball vor den Fuß bekommen dürfen und dann gehen sie auch noch in Führung! Ok, Schweini hat’s vier Minuten später gerichtet, aber auch danach war’s ein einziges Rumgestolpere, Rumpelfußball, mehr kann man dazu nicht sagen! Ich hab das Finale mit unseren Jungs schon fest in meinen Trip eingeplant, mitten in Quito wollte ich sein, wo genug Deutsche unterwegs sind, um fett Party zu machen, jetzt musste ich schon langsam Alternativpläne schmieden!

In der Halbzeitpause hab ich die Kneipe gewechselt, weil das Bild unscharf war. So bin ich im „Hotel Düsseldorf“ gelandet, wo ein Trupp 60jähiger deutscher Bergsteiger am Start war. Das Bild war zwar immer noch unscharf, aber wenigstens konnte man hier unter seinegleichen aus vollem Halse mitfiebern. Doch plötzlich gab’s ’nen Übertragungsausfall, alles schwarz – in Deutschland ja auch, wie ich gehört hab. Aber hier wurde noch etwas schlimmer zugeschlagen, denn insgesamt war das Bild dreimal weg im südamerikanischen Fernsehen. Frecherweise wurde währenddessen Werbung gezeigt, bis alles wieder funktioniert hat. Beim Stand von 1:1 wurde es dunkel… Werbung… Gelaber… und plötzlich stand’s 2:2, zwei Tore verpasst! Wenigstens in den letzten Minuten war das Bild wieder da und jaaaaaaaa, 3:2! Party, Jubel, Feierei. Der Führer der Bergsteigertruppe war ein Schweizer, der meinte, er fände es super, wie die Deutschen mitgingen, die Schweizer würden bei ’nem Tor nur anerkennend klatschen. Einfach nur klatschen bei ’nem Tor, das muss man sich mal vorstellen! Aber so viele schießt die Schweiz ja auch nicht. :)

Kurz nach dem 3:2 war das Bild wieder weg. Kurzes Bangen, dann die erlösende Nachricht, dass abgepfiffen wurde. Was für ’ne Zitterpartie, Mann, Mann, Mann. Das einzige, was mich für das Finale hoffen lässt, ist die Tatsache, dass wir gegen die Schwachen immer zu kämpfen hatten und gegen die Starken dann aufgedreht haben. Ich rechne mit Spanien im Finale, vielleicht gibt’s dann nochmal ’nen Kick in der Mannschaft. Ich werde auf jeden Fall in Quito sein, Sonntag 13:45 Uhr.