Um 6 Uhr war Aufstehen angesagt, es gab Frühstück, um 6:30 Uhr starteten wir durch. Juan Carlos meinte, dass wir heute einen Fluss durchqueren würden, wo einem das Wasser schonmal bis zum Hals stehen könnte. Wir müssten unbedingt bis 13 Uhr dort ankommen, sonst würde der Regen den Pegel so stark ansteigen lassen, dass eine Durchquerung unmöglich würde.
Wir marschierten los und ich merkte gleich, dass meine Füße in den neuen Schuhen nun doch ziemlich schmerzten. Das kann ja noch heiter werden, dachte ich. Der Weg war auch nicht mehr so eben wie am ersten Tag, es ging über Stock und Stein, Felsen und Bäche. Die Anstiege wurden so steil, dass alle verstummten und wir nur noch schwitzend und keuchend vor uns hin trotteten. Die Abstiege wiederum waren so unwegsam, ich mich kaum entscheiden konnte, was anstrengender war.
An der Seite meines linken Knies spürte ich auf einmal einen immer stärker werdenden Schmerz hochsteigen. Ich erinnerte mich, dass ich diesem Schmerz schonmal vom Radfahren in Berlin bekommen hatte, er wurde damals so stark, dass ich nicht mehr weiter fahren konnte und verschwand erst nach mehreren Tagen wieder. Verdammt, das hatte mir noch gefehlt. Ausgeknockt von meinem Knie im Dschungel stecken zu bleiben war nicht die berauschendste Vorstellung. Ich musste einfach weiter laufen, und zwar für die nächsten 3 Tage.
Die Hitze wurde immer drückender, irgendwann meinte Juan Carlos, dass er bei dieser Wärme manchmal Krämpfe in den Beinen bekäme. Erst nahm ich das nicht weiter ernst, aber als er anfing zu humpeln und das Gesicht vor Schmerzen verzog wussten wir, dass es ernst war. Wir machten eine Pause, Lauren hatte zum Glück Rehydrierungs-Salz dabei, das wir ihm verabreichten. Johannes massierte seine Wade, nach 10 Minuten liefen wir weiter.
Doch Juan Carlos konnte nun nur noch humpeln. Als wir an einigen Strohhütten vorbei kamen, machten wir eine Rast. Steven meinte, dass es keinen Sinn hätte, so weiter zu laufen und Juan Carlos mindestens eine halbe Stunde Pause bräuchte. Erst sträubte der sich, legte sich dann aber doch für eine Weile hin und ruhte sich aus.
Es war nun schon 12 Uhr und die Zeit saß uns im Nacken. Was würden wir tun, wenn Juan Carlos nicht mehr weiter könnte? Auf dem nackten Boden in den Strohhütten schlafen? Keine besonders coole Vorstellung. Juan Carlos wollte unbedingt weiter, er hatte Angst, es nicht rechtzeitig zum Fluss zu schaffen. Johannes bot an, seinen schweren Rucksack mit unserem Essen zu tragen. So stapften wir schließlich weiter, Johannes beladen mit 2 Rucksäcken und Juan Carlos mit schmerzenden Krämpfen in den Beinen.
Mein Knie schmerzte immer mehr, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, die nächsten 3 Tage so weiter zu laufen. Aber vielleicht würde es ja über Nacht besser werden. An meinen Füßen breiteten sich nun auch diverse Schwerzen aus, die Achilles-Fersen fühlten sich richtig aufgescheuert an. Aber Juan Carlos gönnte uns keine Pause mehr, er wollte unbedingt den Fluss erreichen, bevor er unpassierbar würde. Erste Regentropfen fielen auf uns nieder, viel Zeit blieb uns nicht mehr.
Juan Carlos fragte uns entgegenkommende Führer nach der Wetterlage. Die meinten, dass es in Ciudad Perdida bereits regnen würde und der Pegel schon anstieg. Wir legten noch einen Zahn zu, ich hatte inzwischen unerträgliche Schmerzen. Doch immer, wenn ich dachte, es ginge nicht mehr weiter, schaute ich auf Juan Carlos, der mit krampfenden Waden und Oberschenkeln die Zähne zusammen biss und aufs Tempo drückte. Johannes schien das alles ohne Probleme wegzustecken, er marschierte mit doppelter Bepackung frisch und munter immer weiter. Gegen 14 Uhr erreichten wir endlich den Fluss.
Der Pegel war zwar schon etwas angestiegen und die Strömung ziemlich stark, aber wir kamen ohne Probleme auf der anderen Seite an, das Wasser stand uns dabei etwa bis zum Gürtel. Bis zu unserer Unterkunft sollte es nochmal 30 Minuten dauern.
Das tat es auch, aber dieser Abschnitt hatte es ziemlich in sich. Wir kletterten über steile Felsen, hoch und runter und ich konnte mich nicht so richtig entscheiden, ob das verdammte Knie oder die aufgescheuerten Füße das größere Problem waren.
Als wir endlich das Camp erreichten fiel alles auf einmal wie eine riesige Last von mir, geschafft für heute! Nachdem wir gestern fast die einzigen Gäste waren, ist heute hier richtig was los. Insgesamt sind so an die 50 Leute im Camp, die vor uns angekommenen bekamen die begehrten Betten ab, für uns blieben aber leider nur noch Hängematten übrig. Egal, ich war einfach nur froh, dass wir angekommen waren.
Nach einem kurzen Nickerchen gab es Abendessen und alles wurde recht lustig. Wir trafen unsere Kollegen aus dem Jeep wieder, die eigentlich doch alle ganz in Ordnung waren und schwatzten ganz nettes Traveller Bla-bla. Im Sitzen hatte ich auch keine Schmerzen mehr und bekam wieder richtig gute Laune. Juan Carlos nannte Johannes nur noch Rambo, nachdem er seinen schweren Rucksack die ganze Zeit geschleppt hatte. :)
Morgen früh um 5 Uhr ist Aufstehen angesagt, um 5:30 Uhr geht es hoch zur Ciudad Perdida. Mir graut es vor den 1500 Treppenstufen dort hoch mit meinem Knie, ich habe sogar kurz überlegt, einfach nicht hochzusteigen und hier im Camp zu warten. Aber neeeeeee, nach 2 Tagen Laufen werde ich nicht so kurz vor dem Ziel aufgeben. Ich werde mir zur Not ein paar Schmerztabletten reinpfeifen und den Aufstieg irgendwie hinkriegen. Über den Weg zurück aus dem Dschungel mache ich mir danach Gedanken.