Von Schlossruinen zur Nacht am See



 

Heute Morgen war es an der Zeit, unser rollendes Zuhause wieder in Bewegung zu setzen und Richtung Ostslowakei aufzubrechen. Wir hatten beschlossen, unseren Weg Richtung Rumänien nicht über Ungarn fortzusetzen, sondern durch die Ukraine über Moldawien von Norden aus ans Schwarze Meer zu stoßen, da das viel mehr nach Abenteuer roch. Heute wollten wir so nah wie möglich an die ukrainische Grenze kommen, um morgen möglichst früh rüber setzen zu können. Ich hatte da so Geschichten von stundenlangen Grenzkontrollen gehört.

Östlich der Hohen Tatra veränderte sich die Landschaft ziemlich schnell, die schroffen Hochgebirgsformationen wichen nun einer hübschen, grünen Hügellandschaft. Wir legten einen Zwischenstopp an der Ruine des „Spissky Hrad“ Schlosses ein, es stammt aus dem 12. Jahrhundert und war eine der größten Festungen Europas. Wir kletterten ein Stündchen in den alten Gemäuern herum, dann setzten wir uns wieder ins Schnauferle, um weiter Richtung Osten zu fahren.

Unser Ziel war „Zemplinska Sirava“, ein großer Stausee im Osten der Slowakei, 40 Kilometer vor der ukrainischen Grenze. Die Straße führte uns durch kleine Dörfer, an deren Straßenrand jung und alt in der Sonne saß, miteinander quatschte und man anscheinend recht gechillt unterwegs war. Doch wo auch immer wir vorbei kamen, das Schnauferle zog immer die Blicke auf sich. Wir erreichten den See gerade noch im letzten Dämmerlicht und fanden am Ufer ein ruhiges Örtchen, an dem ein paar vereinzelte Zelte standen.

Wir wussten nicht so recht, ob das nun ein offizieller Campingplatz war oder nicht, aber versuchten, den Eindruck zu erwecken, als hätte es schon seine Richtigkeit, dass wir dort campierten. Das schien auch keinen zu stören, also kochten wir uns im Schnauferle ein Abendessen und ließen den Tag mit einem Bierchen ausklingen.

Weltmeister!



 

Mann, Mann, Mann, wir sind Weltmeister! Wahnsinn, krass, geil, damit hätte ich vor der WM absolut nicht gerechnet. Wir schauten das Spiel in einem Restaurant hier im Ort. Mit von der Partie waren Achim und Frank, die wir gestern hier kennen gelernt hatten.

Achim und Frank waren Ende 30, richtige Trekker und wir waren der Meinung, dass die beiden nicht so richtig wussten, ob sie uns als Spinner oder ernstzunehmende Tatra-Trekker einordnen sollten. So machten wir uns vor dem Spiel einen Spaß daraus, die beiden noch etwas mehr zu verwirren, wofür nicht viel mehr nötig war, als ein paar Reisegeschichten auszupacken.

Kurz vor dem Anpfiff versammelten wir uns zu viert vor dem Fernseher und Achim entglitten die Gesichtszüge, als er die Startaufstellung sah. Kramer im Sturm, das konnte er nicht fassen. Achim war für 5 Minuten nicht mehr ansprechbar und völlig aufgelöst. Dann war endlich Anstoß. Mit fortschreitendem Spielverlauf ohne Tor wurde Achim immer angespannter und ich hatte Sorge, dass Johannes gleich psychologische Hilfe leisten müsste, falls das Spiel verloren ginge.

Ging es aber nicht und nun sind wir tatsächlich Weltmeister! Wir feierten mit Achim, Frank und unzähligen Schnäpsen, heute Mittag wachte ich schließlich im Schnauferle auf, ohne wirklich zu wissen, wie ich dorthin gekommen bin. Heute ging dann auch nicht sehr viel bei uns, wir gönnten und einen entspannten Tag im Wellness-Bereich eines Hotels. Sauna, Pool und Dusche, die so langsam auch dringend nötig war, herrlich, fühlt sich an wie neu geboren! Zwischendurch schlichen wir uns geschickt ans Hotel-Buffet und konnten uns so kostenlos den Magen vollschlagen. Könnte man eigentlich öfter mal probieren. :)

Zu Hause an der Leitplanke



 

Gestern Abend kamen wir in Strbske Pleso an, einem kleinen Ort in der Hohen Tatra, der am gleichnamigen See liegt. Eigentlich besteht der Ort nur aus Hotels, denn Strbske Pleso ist ein beliebter Startpunkt für Trekking-Touren in die Berge. Das hatten wir auch vor, aber zunächst brauchten wir einen Standort für unser fahrendes Zuhause. Kostenlos sollte er sein und nicht zu abgelegen. Johannes entdeckte einen passenden Seitenstreifen neben einer Leitplanke, perfekt! Schnauferle abgestellt, Eier in die Pfanne geworfen, Campingtisch und -stühle hinter auf dem Grünstreifen aufgebaut, Abendessen.

Wir sind mit dem Schnauferle eine ziemliche Attraktion in der Slowakei, denn jeden Tag fotografieren wildfremde Leute uns und das Auto. So auch gestern, kaum hatten wir es uns auf dem Grünstreifen bequem gemacht, hielt vorbeifahrendes Auto an, aus dem ein Rentner mit einem riesigen Objektiv stieg und Fotos von uns machte. Wenn das so weiter geht, sind wir bald in der Zeitung hier.

Heute Morgen brachen wir zu einer Trekking-Tour in die Berge auf. Strbske Pleso liegt auf 1300 Meter Höhe, unsere Tour führte uns über einen 2000 Meter hohen Berg durch wunderschöne Landschaften. Wir starteten im Wald, erreichten bald die Baumgrenze und waren plötzlich von karstiger Felslandschaft umgeben. Das hatte ich auf jeden Fall gebraucht, raus aus der Stadt und ordentlich Naturluft schnuppern. So langsam komme ich runter von dem Stress der letzten Wochen Reisevorbereitung. Ich bekomme eine Ahnung von dem Flow, in dem ich mich hoffentlich bald befinden werde und es fühlt sich richtig gut an.

Gleich ist aber erstmal WM-Finale. Und wir vielleicht gleich Weltmeister. Wahnsinn.

Auf der Flucht



 

Slowakische Party gab’s gestern nicht wirklich. Die Hostel-Crew schleppte uns wieder mit, diesmal zu einer Kneipe in einer mit Bars gesäumten Straße in der Altstadt. Es war warm draußen, deshalb stellten sich alle mit ihrem Bier davor. Aber wieder in diesem Pulk aus 20 Hostel-Leuten zu hängen, für die die Stadt nur Kulisse für ihr Besäufnis war, fanden Johannes und ich nicht so prall.

Wir hatten nachmittags eine Japanerin namens Cary kennen gelernt, die im Hostel arbeitete. Sie war auch ein wenig genervt von der Runde, also flüchteten wir zu dritt in die nächste Kneipe, tranken Bierchen und quatschten die halbe Nacht. War echt interessant, mit ihr zu reden und ein wenig über die japanische Kultur zu erfahren. Statt Individualismus wird dort Kollektivismus als höchster Wert angesehen und im Umgang miteinander ist es extrem wichtig, darauf zu achten, dass sich der andere durch nichts gestört fühlt. So sehr ich verstehen kann, dass eine Gesellschaft diese Art des Zusammenlebens als ein hohes Gut sieht, finde ich es doch ziemlich schräg, dass eine eigene, individuelle Meinung als Affront gesehen und nicht akzeptiert wird.

Cary stammte aus Fukushima und ihre Familie lebt noch dort. Es war superinteressant, mal mit jemandem zu sprechen, der direkt von der Atomkatastrophe betroffen ist. Sie erzählte, wie die Menschen dort versuchen, zu einer Art Normalität zurück zu finden und viele nicht bereit sind, von dort weg zu ziehen. Es gibt sogar Freiwillige, die ihren Garten zu Verfügung stellen, um kontaminierte Erde zu lagern, denn die oberste Erdschicht wird um den Unglücksort herum mehrere Meter tief abgetragen und irgendwo muss das Zeug dann hin.

Später wollten wir uns noch eine slowakische Party suchen, aber alles, was wir in der Altstadt fanden, war komplett mit Touris verseucht. Darauf hatten wir alle keinen Bock, also zogen wir irgendwann ins Hostel zurück.

Heute Morgen packten wir unsere Sachen, um uns mit dem Schnauferle auf den Weg in die Hohe Tatra zu machen. Johannes hatte das Gefährt auf einem Parkplatz in der Altstadt geparkt und war der Meinung, das Ticket würde 1,50 Euro am Tag kosten. Leider hatte er übersehen, dass der Preis nicht für den ganzen Tag, sonder pro angefangene 30 Minuten galt. So klappte mir fast die Kinnlade runter, als ich am Automaten bezahlen wollte und dieser 52,50 Euro anzeigte. Die Ausfahrt war mit einer Schranke geschlossen, die sich keinen Millimeter bewegte, so lange wir nicht löhnten.

Der Parkplatz war mit Betonpollern umgeben, so dass eine alternative Ausfahrt nicht in Frage zu kommen schien. Doch glücklicherweise entdeckte Johannes eine Lücke, die gerade groß genug für das Schnauferle war. Wir schienen unbeobachtet zu sein, also sprangen wir ins Auto, gaben Gas und flüchteten unerkannt.

Johannes in Bratislava getroffen



 

Gestern bin ich per Zug von Starnberg über München und Wien nach Bratislava gefahren. Nach sieben Stunden Fahrt kam ich abends hier an. Ich hatte mir ein Bett im 10er Dorm des Wild Elephant Hostels reserviert. 15 Euro muss ich dafür pro Nacht löhnen, hätte in Osteuropa eigentlich mit weniger gerechnet.

In meinem Zimmer lernte ich den Australier Joe und einen bärtigen Engländer kennen, der so einen krassen britischen Akzent hat, dass ich fast nichts von dem verstehen konnte, was er sagte. Nicht mal seinen Namen, irgendwas mit „Sch“, der Rest verschwand irgendwie in seinem Bart.

Wir ließen uns von der süßen ungarischen Hostelmitarbeiterin Lila ein Restaurant für typisches slowakisches Essen empfehlen und kehrten dort zu dritt ein. Ich probierte das slowakische Nationalgericht Haluschki, das aus Kartoffeln und Käse mit Käsesoße und noch mehr Käse oben drüber besteht. Ich verstand den bärtigen Engländer immer noch nicht, aber er sah irgendwie so lustig aus beim Sprechen, dass ich ihm gerne zuschaute und hin und wieder „Jaja“ sagte.

Abends zog das halbe Hostel los in eine Kneipe um die Ecke, wo das große Bier kostete nur einen Euro kostete. Dazu gab’s ein bisschen Traveller Bla-bla, das mich aber ziemlich schnell langweilte. Ich hatte das Gefühl, die Geschichten schon 1000x gehört zu haben und hatte auch keinen so richtigen Bock auf eine 20-Mann-Sauftruppe. Lila interessierte mich, aber in ihrer Nähe war kein Platz frei, also verabschiedete ich mich bald. Irgendwie freue ich mich drauf, bald die ausgetretenen Pfade zu verlassen und Richtung Iran zu steuern, wo einem sicherlich nicht mehr als allen Ecken „Where-have-you-been-before-where-will-you-go-next-what-was-your-favorite-place“ entgegenschallt.

Heute bin ich ein wenig durch die Altstadt geschlendert, die echt süß ist. Überhaupt ist die Stimmung in Bratislava recht entspannt, hätte ich gar nicht so gedacht. Ich habe auch mal die Donau überquert und mir das südlich gelegene Plattenbauviertel aus tiefsten Sozialismuszeiten angeschaut. Es ist riesig, Betonklotz an Betonklotz, aber nicht wirklich heruntergekommen, zumindest der Teil, den ich gesehen habe.

Gegen 15 Uhr kam Johannes schließlich mit dem 30 Jahre alten T1 an. Seine schwäbischen Vorbesitzer haben die Karre „Schnauferle“ getauft, weil er am Berg immer etwas in Schnaufen gerät. Wir werden noch für eine Nacht hier im Hostel bleiben, dann geht’s mit dem Schnauferle Richtung Hohe Tatra. Natur und 2500 Meter hohe Berge erwarten uns da, freue mich schon voll drauf. Heute Abend werden wir uns aber erstmal das Bratislavaer Partyleben etwas näher anschauen.