Panzer in den Straßen von Diyarbakir

Raus aus der Kampfzone

Ich habe die Unterbrechung der Ausgangssperre in Diayrbakir heute genutzt um mich aus dem Staub zu machen. Gelandet bin ich unverhofft in einer kurdischen Studenten-WG in Van.



 

Gestern Abend fand ich die Situation in meinem Hotel-Gefängnis in Diyarbakir dann doch zunehmend beklemmend, die Ausgangssperre galt weiterhin. Außer meinem mittäglichen Abstecher zum Essen kaufen ging ich nicht mehr vor die Tür. Gegen Abend hörte ich wieder die mir inzwischen schon bekannte Knallerei, die ich am Tag davor noch etwas optimistisch für Böller gehalten hatte. Inzwischen war ich mir ziemlich sicher, dass da öfters auch Schießereien dabei waren, inzwischen soll es 10 Tote in der Stadt gegeben haben. Die Geräusche von kreisenden Hubschraubern drangen immer wieder in mein Zimmer und im Fernsehen liefen Bilder, die aussahen wie mitten im Krieg.

Panzer und Soldaten auf den Straßen

Heute wurde die Ausgangssperre vorübergehend von 6 Uhr morgens bis 18 Uhr abends aufgehoben. Ich nutzte die Gunst der Stunde, packte meine Sachen und setzte mich in den nächsten Stadtbus zum Busbahnhof. Zunächst schien es so, als sei wieder eine gewisse Normalität eingekehrt, doch schnell wurde klar, dass dieser Schein trügerisch war. Panzer und Soldaten standen auf den Straßen und überall waren die verkohlten Reste der Barrikaden zu sehen, die in der Nacht dort gebrannt hatten. Teilweise schwelten und qualmten sie immer noch. Die Straßen ähnelten Trümmerfeldern, nicht nur vereinzelt, sondern kilometerweit. Am Rande versammelten sich mit Maschinengewehren gerüstete Polizeitrupps.

Panzer in den Straßen von Diyarbakir
Panzer in den Straßen von Diyarbakir
Busfahrt durch Trümmerfelder
Busfahrt durch Trümmerfelder

Ich war froh, als ich endlich am Busbahnhof war und überlegte, wohin ich fahren sollte. In Sanliurfa hatte mir Aziz, in dessen Guesthouse ich dort gewohnt hatte, die Nummer von einem Freund namens Mehmet in Tatvan gegeben, der sollte dort ein Zimmer vermieten. Ich rief ihn an, er hatte Platz für mich, ich kaufte ein Busticket und saß gegen Mittag endlich im Bus raus aus der Kampfzone.

Einladung in die kurdische Studenten-WG

Auf dem Platz neben mir saß ein kurdischer Student, der auf dem Weg nach Van war. Er konnte ein wenig englisch und wir kamen ins Gespräch. „Smile“ war sein Name, zumindest wird er so ausgesprochen. Er war über die Feiertage des Opferfestes bei seiner Familie in Diyarbakir und nun auf dem Weg zurück in seine Studenten-WG in Van. Van sollte eigentlich mein nächster Stopp nach Tatvan sein, Smile bot mir an, dass ich in seiner WG schlafe könne, wenn ich in ein paar Tagen dort bin. Die Aussicht erschien mir ziemlich interessant, so dass ich kurzerhand beschloss, nicht in Tatvan auszusteigen, sondern direkt mit Smile nach Van zu kommen.

Wir kamen kurz nach Anbruch der Dunkelheit in Van an und machten uns auf den Weg im Smile’s Wohnung. Ich war froh, nicht alleine hier unterwegs zu sein, denn auch in Van sind überall Soldaten in den Straßen und Polizisten mit Maschinengewehren unterwegs. Es hatte wohl auch hier in den letzten Tagen Proteste gegeben, wenn auch nicht ganz so krass wie in Diyarbakir.

Smile’s drei Mitbewohner sprechen leider kein Englisch, aber scheinen auch recht nett zu sein. Kurz nachdem ich ankam, stellte sich Smile auf den Balkon und schlug mit einem Löffel auf einen Kochtopf, was einen Höllenlärm machte. Dann hörte ich, dass die gleichen Geräusche von den umliegenden Häusern erwidert wurden. Die Jungs erklärten mir, dass das ein friedlicher Protest gegen die Regierungspolitik sei.

Friedlicher Protest von "Smile" auf dem Balkon
Friedlicher Protest von „Smile“ auf dem Balkon
Abendessen in der kurdischen Studenten-WG in Van
Abendessen in der kurdischen Studenten-WG in Van

Wir aßen alle zusammen Suppe in der Küche und ich fragte, was denn die Forderungen des kurdischen Protests an die Regierung seien. Die Jungs sagten, es gehe darum, dass die türkische Regierung inoffiziell ISIS im Kampf gegen die syrischen Kurden unterstützen würde. In der Tat hat die Regierung wohl in der Vergangenheit ISIS finanziert und Kämpfer ausgebildet mit dem Ziel, Assad dadurch loszuwerden. Ich habe in letzter Zeit immer wieder die Behauptung gehört, dass die Unterstützung unter der Hand bis heute weiter ginge. Was da wirklich dran ist, kann ich nicht beurteilen, allerdings kommt mir die türkische Rolle in dem Konflikt auch ziemlich undurchsichtig vor.

Van wird auf jeden Fall mein letzter Stopp vor dem Iran sein, wie lange ich hier bleibe, muss ich mal schauen. Johannes hat nun sein FLugticket gekauft und wird nächsten Donnerstag in Teheran aufschlagen, bis dahin muss ich spätestens dort sein.

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